Vor 170 Jahren: Revolution - Teil 3 

Das Jahr 2018 ist reich an historischen Jubiläen. Erinnert sei an die Novemberrevolution vor 100 Jahren, das Ende des 1. Weltkrieges, aber auch an den Ausbruch des 30jährigen Krieges vor genau 400 Jahren, im Mai 1618 ereignete sich der Prager Fenstersturz, 30 Jahre später konnte dann der Westfälische Friede geschlossen werden. 
Zu den wichtigen historischen Jubiläen gehört aber auch die erste deutsche Revolution im März 1848. Dieses Ereignis fand nicht nur in den Hauptstädten, in Berlin oder Wien, statt, sondern führte auch auf dem Lande zu heftigen Kämpfen und Aufständen. Mihla wurde im März 1848 und dann nochmals im März des Jahres 1849 zu einem der revolutionären Zentren im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. 
Diese Ereignisse sind an den Namen des Mihlaer Schuhmachermeisters Johann Georg Böttger gebunden. Zu DDR-Zeiten wurde er als das Vorbild und der revolutionäre Held gewürdigt, vor allem, weil er während seiner Gesellenzeit Kontakte zum "Bund der Gerechten", einer der Vorläuferorganisationen der Deutschen Kommunisten hatte. Was bleibt davon übrig, wenn man sich die tatsächlichen Ereignisse im Frühjahr 1848 anschaut? 
Wir wollen das tun und laden zu einer Zeitreise in die Ereignisse der ersten deutschen Revolution vor 170 Jahren ein

Nach den Unruhen Mitte März 1848 in Mihla war eine Einheit des Linienmilitärs des Großherzogs eingerückt. 

In Mihla war die Situation noch immer angespannt. Die Soldaten, die beide Schlösser und das Glockenhaus besetzten, trugen in keiner Weise zur Beruhigung der Gemüter bei. 

Zwar protestierte die Ortsvertretung der Gemeinde gegen den Einsatz des Militärs, jedoch waren sich Dorfobrigkeit und der Gerichtsdirektor rasch einig, die Anführer des Aufstandes vom 13.3. verhaften zu lassen. Der Pfarrer charakterisierte die nun veränderte Situation unter den wohlhabenden Bauern treffend: „Erst nach und nach kam man zur Besinnung und viele, welche wohl gerne das Hab und Gut der Herren mitgeteilt hätten, fürchteten, es müßte auch das Ihrige von den rohen Haufen mit in Anspruch genommen werden." 

Damit war der Aufstandsbewegung die Spitze genommen und von den besitzenden und einflussreichen Bauern getrennt, fehlten den ärmeren Schichten der Dorfbevölkerung die Kraft, ihre Forderungen durchzusetzen. 

Sieben Mihlaer, darunter Böttger, wurden verhaftet und nach Eisenach gebracht. Um die Zuständigkeit der Gerichte kam es zwischen dem harstallschen Gericht und der Regierung zu Auseinandersetzungen. Dabei ging es schon bald nicht mehr um die bloße Zuständigkeit, sondern bereits um die generelle Einschränkung der gutsherrlichen Eigengerichtsbarkeit. Immerhin führte der briefliche Einspruch an den Weimarer Kanzler Wittich und der Hinweis, dass „…eine Fortsetzung der Criminaluntersuchung... (dazu führen würde), daß dieselbe fast gegen alle hiesigen Einwohner gerichtet werden müßte und dies möchte unter den jetzigen Zeitumständen wohl nicht rätlich erscheinen ..." zur Einstellung der weiteren Untersuchungen.

Böttger hatte auch bei diesen Vernehmungen in Eisenach seine Haltung standhaft vertreten. Im Vernehmungsprotokoll wurde vermerkt, „... daß er bei den Vorgängen (in Mihla) selbst sehr tätig gewesen ist. Derselbe hat sich bei jeder Gelegenheit als sehr gefährlich gezeigt und wird auch dieserhalb auch allgemein gefürchtet. Diese so strafbaren Handlungen zeugen von sehr üblen Absichten, die ihn gegenwärtig beherrschen und die er auch auszuführen willens ist." Inzwischen hatten auch andere Bevölkerungsgruppen ihre Forderungen an die Regierung formuliert. 

Schon am 15.3. hatten verschiedene Handwerker ein Gesuch eingereicht, in dem sie um Aufhebung der Zunftgesetze baten. Desgleichen wandten sich am darauffolgenden Tage etliche „Dorfmeister", also nicht den städtischen Zünften angehörende Dorfhandwerker, nach Weimar und baten um die gleichen Rechte wie die Stadtmeister. 

Diese Forderungen sind unter den Umständen unerträglicher Zunftbestimmungen wie der Bannmeile, den genauen Festlegungen des Verkaufspreises durch die Zünfte, desgleichen die geforderte Qualität und Menge verständlich. Es ging um den Fortbestand vieler traditioneller Handwerksberufe, aber auch darum, schon lange überholte Produktionsmethoden aufzugeben und neuen, letztlich kapitalistischen, Platz zu machen. Das Einschwenken von Teilen der noch wenige Tage zuvor ganz revolutionär aufgetretenen Mihlaer auf einen Weg, über Eingaben gütlich Veränderungen zu erreichen, macht deutlich, wie sich inzwischen die Machtsituation geändert hatte. 

Die Ereignisse in Preußen, die bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung und die Bildung einer neuen liberalen Regierung in Weimar hatten bei den meisten der Besitzenden rasch die Ansicht hervorgebracht, die von der Volksmenge auf dem Anger formulierten Forderungen auf gesetzlichem Wege, vor allem durch die Ablösung der Feudallasten, zu erreichen. Dabei wurden sie natürlich kräftig durch jene unterstützt, denen gar nichts an Veränderungen lag. 

So nimmt es nicht wunder, dass jene von Böttger und seinen Anhängern aufgesetzte Verzichtserklärung der Harstalls bald für ungültig erklärt wurde. Natürlich waren nun nicht die alten Verhältnisse vor dem 13. März eingekehrt. Wie unsicher die Gerichtsbarkeit die Situation noch immer einschätzte, geht aus der am 25.3.1848 im Eisenacher Wochenblatt verkündeten Nachricht hervor, dass der am 29.3. in Mihla geplante Jahrmarkt nicht stattfinden würde. Die Gründe für diese Entscheidung dürften auf der Hand liegen. 

Auch wurden die inhaftierten Mihlaer mit Böttger durch ein landesherrliches Amnestiegesetz auf freien Fuß gesetzt. 

In Neukirchen tat sich der Pfarrer Schwerdt als Führer einer bäuerlich-demokratischen Bewegung hervor, durch die sogar eine Volkswehr aufgestellt wurde. Zweifelsohne gab es eine Verbindung Böttgers zu diesen Kreisen und wohl auch in Mihla einen Versuch, eine Volkswehr aufzubauen. 

Pfarrer Schwerdt wurde Abgeordneter des Gothaer Landtages, der am 18.5.1848 bereits ein neues Ablösungsgesetz für die feudalen Lasten verkündete. 

Weitere Zeichen eines allgemeinen Fortschritts machten sich auch in Mihla breit. Im Juni 1848 wurde die neuerbaute „Kunststraße" zwischen Eisenach und Mühlhausen über Mihla vermessen und zur Nutzung übergeben. Da Eisenach im gleichen Jahr Bahnanschluss erhalten hatte und eine Wagenpostlinie nach Mühlhausen eingerichtet wurde, verbesserten sich die Verkehrsbedingungen ganz erheblich. Zudem genehmigte der Herzog auch die Einrichtung einer Landpostbotenanstalt beim Postamt Eisenach, welche am Dienstag und Freitag von Eisenach über Stregda-Bischofroda auch Mihla erreichte und Sendungen bis 20 Pfennige und im Wert bis 100 Reichstaler vermittelte. Im März 1849 schließlich entstand ein der Post- und Personenbeförderung dienendes Postcomis mit Briefsammelstellen in Mihla und Nazza. Die Gebühr für eine Person und 40 Pfund Freigepäck betrug je Meile sechs Groschen. 

Das alles war jedoch nur "ein Tropfen auf dem hohlen Stein" und bediente in keiner Weise die politischen Forderungen der Mihlaer.

Fortsetzung folgt
- Ortschronist -