Die Luftschlacht vom 27. September 1944 über Thüringen und Hessen, Teil 5

Zuletzt berichteten wir über Flugzeugtrümmer, hier Bombentüren, die bei Neukirchen gefunden wurden.

Man muss auch bedenken, dass die Trümmer aus einer Höhe von 7000 m durch eine geschlossene Wolkendecke, fast wie welkes Laub auf die Erde fielen. So haben es viele Zeitzeugen wahrgenommen. Trotzdem kann man mit Sicherheit sagen, das 2Lt. Bolin und seine Mannschaft  die ersten amerikanischen Opfer dieser Luftschlacht wurden und obwohl die offiziellen Dokumente, der MACR 9393 sowie der IDPF nicht viele Informationen enthalten, kam dank verschiedener Zeitzeugen, von beiden Seiten des Atlantiks, einiges ans Licht.

Als die B-24J-5, DT 42-51355, K  RN explodierte verteilten sich die Trümmer auf einer großen Fläche von Ütteroda bis Krauthausen. Auf dem Waldweg zwischen Ütteroda und der Mittelmühle lag einer der Geschütztürme. Die zwei größten Trümmerteile kamen am Ortsausgang von Madelungen und am Ortseingang von Krauthausen herunter. Das Haus der Familie Müller in Madelungen wäre um ein Haar vom Heckteil des Flugzeugs getroffen worden. Es landete unmittelbar hinter dem Grundstück, ebenso zwei tote Flieger, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Nach ihrer Position im Flugzeug zu urteilen könnten dies Oleson und Frederiksen gewesen sein. Die Spuren des Feuers sind bis heute an einem Balken der Stallung erhalten.

Absturzstelle des Heckteils des Bombers und der Fundort zweier toter Besatzungsmitglieder

 

Der vordere Teil der Maschine krachte einige hundert Meter weiter auf eine Wiese, kurz vor Krauthausen. Auch dort das gleiche Bild des Grauens und der Zerstörung. Laut KU Bericht 3076 erfolgte der Absturz um 11.50 Uhr. Die Besatzung bestand aus neun Mann, dem Piloten 2Lt.Roy E. Bolin ? aus  Illinois, dem Co Piloten 2Lt. Laurence G. Barben ? aus Kansas, dem Navigator 2Lt. Louis P. Ajello ? aus  New York, dem Bombenschützen  2Lt. Truman Armstrong Jr. ?  aus California, dem Engineer Sgt Charles E.Weatherly ? aus  Texas, dem  Radio Operator S/Sgt William Aaron ? aus  Connecticut, dem linken,  hinteren  Schützen Sgt Robert W. Oleson aus Montana, dem rechten hinteren Schützen Sgt Tage R. Frederiksen ? aus New York und dem Heckschützen Sgt Orland J. Schooley ? aus Virginia. Als die Geschosse die Maschine zerfetzten und sie zerbrach, wurde Sgt Schooley durch den Luftstrom ins Freie gerissen. Er öffnete gleich seinen Fallschirm und war der einzige Überlebende.

 

Er hatte sieben Granatsplitter im Fuß und blutete sehr stark. Es gelang ihm nicht, diese Blutung zu stillen. Die Deutschen fanden ihn aber relativ schnell und gaben ihm erste Hilfe. Er wurde nach Eisenach ins Krankenhaus gebracht. In einem Interview, welches er 2010 als 89jähriger gab, berichtet er von diesem Ereignis. Er sagte: Die(Deutschen) haben mir das Leben gerettet und den Schmerz, den er hatte, als ihm eine deutsche Krankenschwester reinen Alkohol auf die Wunde gegossen hat,  könnte er heute noch spüren ?but they saved my life? (?aber sie retteten mein Leben). Er wurde noch 91 Jahre alt,  immer wieder von Alpträumen geplagt. Seine Kameraden hatten nicht so viel Glück und er fühlte sich sein ganzes Leben lang schuldig. Warum ausgerechnet er. Auch die anderen hatten ihr Leben noch vor sich. Schooley war damals gerade 24 Jahre alt.

Roy E. Bolin und seine Mannschaft waren vom 25.08.1944 bis zum 21.09.1944 sechs Missionen geflogen.

Miss

 

Grp

 

 

 

No

Datum

Mssn

Stadt

Country

Target

 

 

No

 

 

 

1

25/08/44

154

Wismar

Germany

Air Base

2

08/09/44

159

Karlsruhe

Germany

Marshalling Yards

3

10/09/44

161

Ulm

Germany

Marshalling Yards

4

12/09/44

163

Hannover

Germany

Gas Refinery

5

13/09/44

164

Ulm

Germany

Engine  Works

6

21/09/44

165

Koblenz

Germany

Marshalling Yards

7

27/0944

169

Kassel

Germany

FW  Acft  Factory

 

Kassel war die siebente. Sie hätten weitere 29 Missionen fliegen müssen, um wieder nach Hause zu kommen. In dieser kurzen Zeit hatten sie schon eine Menge traumatischer Ereignisse durchlebt und so schrieb Roy in einem seiner letzten Briefe nach Hause, sie mögen bitte aufpassen, dass der kleinere Bruder, um den er sich sorgte, nicht freiwillig in den Krieg zieht: ?Nur Narren tun das. ? Er hatte drei Brüder und zwei Schwestern.

Am 24.03.1921 wurde Roy geboren und wuchs mit seinen Geschwistern  auf einer kleinen Farm in Illinois auf. 1943 schloss er sein Studium an der University of Illinois ab und ging sofort  zum Militär. Er hatte schnell gelernt, was Krieg bedeutet und fiel ihm genauso schnell zum Opfer.  Eine Verwandte, die gerade mit ihrer Mutter bei Roys Eltern zu Besuch war, sah wie Roys Mutter mit dem Brief, der die Nachricht seines Todes übermittelte, schluchzend und zitternd  auf der Veranda saß. Ihre Mutter sagte ihr, sie solle jetzt nicht zu Roys Mutter  gehen, da sich gerade ihre ganze Welt verändert habe.  Sie hatte sich für immer verändert  und sie konnte es, wie auch andere Mütter auf beiden Seiten des Atlantiks nie verwinden, egal ob sie Bolin, Landerer, Mett, Brunotte, Lottes oder Forster hießen. Sie alle starben an diesem Tag, an dem die Familie Bolin, Roy und in übertragenen Sinne auch seine  Mutter verloren hatte. Die Familie war nicht mehr die gleiche wie vorher.

Zum Glück wurde sie nicht mit den Bildern konfrontiert, die  Alt-Bürgermeister Werner Nowatzky von Krauthausen in seiner Erinnerung mit sich herum tragen musste. Er sah die toten Flieger. Durch die große Hitze waren sie schwarz verkohlt und auf Puppengröße geschrumpft.

Bild 3 gibt einen kleinen Eindruck davon was diese Hitze bewirkte. Es zeigt ein Stück geschmolzenes Aluminium von der Absturzstelle. Die Struktur, die einer Leiter ähnelt ist der Rest eines Verschlusses von einem amerikanischen Flieger Stiefel, einem ?Arctic? overshoe buckle.

Er wurde auch Zeuge wie Herr Willi Dietzel einen Pferdewagen mit Stroh auslegte, worauf man die Toten nebeneinander aufbahrte. Sie wurden zunächst auf den Friedhof von Krauthausen gebracht und dort in einer Ecke erstbestattet - der Anfang  einer langen Odyssee. Herr Willi Dietzel und Herr Fritz Schieck hatten eine kleine Holzkiste gebaut, in die man sie hineinlegte, alle sieben!! Hier blieben sie bis zum 19.04.45. Von Krauthausen sind sie zunächst auf den amerikanischen Soldatenfriedhof nach Eisenach-Hötzelsroda verlegt worden, Feld  A, Gemeinschaftsgrab 245, Reihe 10. Als die Amerikaner Thüringen besetzt hielten, war der jetzige Soldatenfriedhof in Hötzelsroda  kurzzeitig ein Sammelfriedhof der U.S. Army, auf dem sie in Thüringen gefallene U.S.  Soldaten zusammenführten und beisetzten. Da per Gesetz bestimmt wurde, dass kein amerikanischer Soldat in Deutschland bestattet bleiben darf (es sei denn auf ausdrücklichen eigenen Wunsch), wurden sie von dort auf einen der ABMC Friedhöfe in Frankreich, Belgien, England oder Holland verlegt. Die American Battle Monuments Commission unterhält weltweit 24 permanente Soldatenfriedhöfe und 25 weiter Gedenkstätten. 124 905 amerikanische Soldaten fanden dort ihre letzte Ruhe. Per Public Law(Gesetz) 389 des 66. gewählten U.S. Kongresses und Publik Law 368  des 80. U.S. Kongresses wurden die Bestimmungen der Beisetzungen definiert. Die Angehörigen konnten sich für eine Bestattung in Übersee oder eine Rückführung in die USA entscheiden. Ein späterer Sinneswandel war nur noch bis 1951 möglich. Danach war es nicht mehr gestattet Umbettungen in die Staaten vorzunehmen, zum einen wegen der Bewahrung  der Totenruhe und zum anderen um das Gesamtbild nicht zu verändern oder zu schädigen.  Die ABMC Ruhestätten sind  ausnahmslos wunderbar gestaltete, nachdenklich machende und zur Besinnlichkeit inspirierende Parkanlagen. Viele Familien, die den Wunsch hatten ihre Liebsten doch nach Hause zu überführen, verwarfen dieses Ansinnen meist nach ihrem ersten Besuch. Ein Aufenthalt auf einem ABCM Friedhof ist in der Tat ein unvergessliches, tief beeindruckendes Erlebnis.

Roy Bolin und seine Kameraden wurden am 25.Juni 1945 von Hötzelsroda  auf den amerikanischen Soldatenfriedhof Margraten in Holland verlegt, Plot QQ, Reihe 10, Common Grave 245.

Die Verwandten entschieden sich für eine Rückführung ihrer Verstorbenen in die USA. Am 13.03.1950 kamen die sieben auf dem Jefferson Barracks National Cemetery in St. Louis, Missouri zur allerletzten Ruhe, Plot 82 0 14B.

Die Kirchturmfahne von Krauthausen ist aus den Wrackteilen des US-Bombers hergestellt.

 

Aber auch in Krauthausen haben sie etwas hinterlassen, das an sie erinnert. Man muss nur auf das Dach der Kirche schauen. Dort steht, wie auf vielen Kirchdächern ein Wetterhahn ? dieser aber wurde aus dem Blech der B-24J-5, DT 42-51355, K  RN gefertigt.

Wird fortgesetzt

 

Mihla, 28.08.2013