Der 30jährige Krieg in der Region um Mihla

Rainer Lämmerhirt

 

Wir wollen heute die Artikelserie über die Ereignisse in der Zeit des 30jährigen Krieges fortsetzen. Dazu gibt es auch einen recht aktuellen Anlass:

 

Bei den Bauarbeiten an der alten Feuerwache auf dem Mihlaer Markt wurden viele menschliche Knochen gefunden. Das war zu erwarten, befand sich doch hier vor dem Bau des Spritzenhauses 1930 der alte Friedhof. Wie wir aus den Berichten aus der Zeit des 30jährigen Krieges wissen, legte man just an diesem Platze auch die Massengräber für die Pestopfer aus dieser Zeit an. Auf diese Reste ist man nun, wie auch schon beim Bau 1929, gestoßen.

 

Kehren wir in die Schilderung der Ereignisse um das Jahr 1635 zurück:

 

Wesentlich schlimmer als bei den Harstalls sah es bei anderen Bevölkerungsschichten aus. 1635 waren Kroaten und Hatzfeldische Reiter im Ort, die erneut die Pest einschleppten. Diesmal wütete sie 4 Jahre. Unbeschreibliches Grauen machte sich breit. Wurden die Menschen von der Pest infiziert, gab es kein Entrinnen. Der Tod trat häufig schon nach wenigen Tagen ein. 1635 musste Pfarrer Himmel 122 Opfer der Seuche beerdigen, in Lauterbachwaren es sogar 75. Im Kirchenbuch berichtete der Pfarrer: ? ... waren Sonntag vor Michaelis 6 Personen uff einmal begraben und 3 Leichen aus einem Haus getragen, war groß Jammer anzusehen, weinet alle, die es sahen."

 

Das Wüten der Krankheit hielt die Söldner nur bedingt ab, die Orte zu plündern. 1635 begaben sich die Einwohner Lauterbachs auf die Flucht vor über 1000 Reitern, die das Dorf plünderten. In dieser Zeit starb der 27jährige Hans Meusemann, der seinen neben der Kirche gelegenen Hof dem Pfarrer vermachte, mit der Bitte, darin für Lauterbach eine eigene Schule einzurichten. Das geschah noch im gleichen Jahr. Als erster Schulmeister wurde Elias Kranichfeld genannt, den die Pest aber bereits 1636 dahinraffte. Ende 1635 verließ Pfarrer Himmel Mihla, um als Adjunkt nach Creuzburg zu gehen. Sein 1621 geborener Sohn Heinrich besuchte zu dieser Zeit bereits die Eisenacher Lateinschule. Er sollte 1645 die Pfarrstelle in Mihla übernehmen. Neuer Pfarrer wurde zunächst aber der 1604 in Creuzburg geborene Georg Emmerich Pfefferkorn, vorher bereits Pfarrer in Neustadt. Von ihm stammen die weiteren Nachrichten über den großen Krieg. 1636 erreichte die Pestwelle ihren Höhepunkt. 147 Dorfbewohner verstarben im Verlauf des Jahres an der Seuche. Man setzte die meisten in Massengräbern auf dem Kirchhof bei. Auch 1637 waren weitere 112 Pest-Tote zu beklagen. So forderte die Pest insgesamt in den als ?Pestjahren" im Gedächtnis der Menschen haften bleibenden Jahren 1635 bis 1637 381 Opfer. Das war ein schwerer Aderlass für die Gemeinde, da in diesen Jahren auch die Geburtszahlen stark zurückgingen.34 Viele Menschen verließen den Ort, andere ließen sich als Söldner anwerben. Schon zu Beginn der 40er Jahre standen viele Bauernhöfe leer, andere waren zerfallen oder verwüstet. Insgesamt gesehen wurde unser Ort in den 30er Jahren schwer getroffen. Doch die Größe des Ortes und die Besonderheiten, so der Defensionsausschuss, die Befestigungen, die Anwesenheit des Rittergeschlechtes, verhinderten, dass Mihla wie Lauterbach, Neukirchen oder gar Creuzburg gänzlich ausgeplündert und eingeäschert wurde. Das dörfliche Leben blieb, trotz furchtbarer Wunden, erhalten.

 

Neben den Bevölkerungsverlusten kam es auch zur Verödung der Handelsstraßen. Räuberbanden, denen sich oft ruinierte Dorfbewohner anschlossen, und Söldnertruppen, die auf eigene Faust Krieg führten, überfielen immer häufiger Handelswagen und einzelne Gehöfte. So wurde am 21.3.1632 der wohlhabende Mihlaer Anspänner Klaus Künemundt (das Künemundtsche Gut lag auf dem Markte) auf dem Wege zum Eisenacher Markt bei Neukirchen von berittenen Wegelagerern angehalten, um ihm den Wagen und die Pferde wegzunehmen. Künemundt, der offensichtlich Widerstand leistete, wurde von den Räubern erschossen.

 

Am 14. September 1632 überfielen mehrere marodierende Söldner das Forsthaus Reckenbühl, um die dortigen Pferde zu stehlen. Der Anschlag gelang jedoch nicht, die Bewohner des Forsthauses setzten sich zur Wehr. In einem Feuergefecht wurden die Räuber zersprengt, 1 Söldner getötet und ein zweiter schwer getroffen. Der verwundete Söldner flüchtete und wurde von Mihlaer Bauern im Tal aufgefunden, auf den Bäckerkarren geladen und in die ?Schwarze Herberge" gebracht. Im Kirchenbuch vermerkte der Pfarrer: ? ... nannte sich Heinrich Stauer aus Heinsam im Braunschweiger Land. ... war verbunden worden und in folgender Nacht gestorben. Ward mit christlichen Ceremonien begraben, weil er unserer Confessio. Und ohn Unterlaß in seinen schmerzen Gott und den Namen Jesum angerufen." 

 

                                                   

 Landsknechte in ihrem Aussehen in der Zeit des 30jährigen Krieges. Sie kannten kein Erbarmen gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung handelten nach dem Grundsatz: Der Krieg ernährt den Krieger".

 

Diese Ereignisse zeigen, dass es durchaus Widerstand gegen die Soldateska gab und bewaffnete Bauern, Förster oder Defensioner gegenüber kleinen Einheiten Möglichkeiten eines erfolgreichen Kampfes hatten. Größere Widerstandsaktionen sind allerdings nicht überliefert. Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurden bis in unsere Zeit Sagen von Generation zu Generation weitergegeben, die von Räubern im Hainichwald berichten. Ebenfalls damit in Verbindung gebracht, werden die noch heute am Weg von Mihla nach Kammerforst befindlichen beiden Steinkreuze. Der sogenannte ?Schützstein" an der Ausfahrt des Forsthauses Reckenbühl trägt die eingeritzte Nachricht vom 1640 erfolgten Mord an einem Conrad Schütze, wenige Meter weiter wird mit dem ?Magdkreuz" eine Räubersage verbunden.

 

Nach der Pestwelle brachten die Jahre nach 1640 für Mihla neues Leid. Der Eintritt der Schweden in den Krieg 1630 hatte bereits eine Verrohung der Kriegsführung mit sich gebracht. Die Schweden besetzten bald ganz Thüringen. Von Creuzburg aus trieben sie immer höhere Steuern und Unterstützungsgelder für die ?gerechte Sache" ein. Mehrfach mussten die Dörfer der Ämter Eisenach und Creuzburg ?Freiwillige" des Ausschusses für den Kriegsdienst in der schwedischen Armee stellen. Zu diesen von Jahr zu Jahr unerfüllbarer werdenden Forderungen kamen die ständigen Raubzüge der im Eichsfeld liegenden kaiserlichen Truppen.

 

An die Anwesenheit der Schweden im Ort erinnern mehrere Eintragungen im Kirchenbuch. Häufig musste der Pfarrer den ?Glaubensgenossen" bei geistlichen Handlungen zur Seite stehen. 1634 wurde in der Kirche ein auf dem Eichsfeld geborenes Kind eines schwedischen Offiziers getauft. Die Mutter hatte das Kind nach Mihla gebracht, weil der Vater "... es von den Catholischen nicht taufen lassen (wollte)...".

1636 wurde nach Eintragung im Sterberegister der Kirche ein Sohn des schwedischen Offiziers Ivan Keller in Mihla beerdigt. Der Offizier spendete zum Gedächtnis an das Kind der Kirche einen silbernen Altarkelch, welcher, um 1500 entstanden, wohl zum Beutegut der Schweden gehörte. 1640 lagen in und um Creuzburg fünf verschiedene Heerhaufen. Zu den Schweden hatten sich nun noch die Hessen, die Weimaraner, Lüneburger und die Franzosen gesellt. Allein Creuzburg musste für die Unterbringung der Heerhaufen und ihrer Generäle in 3 Wochen 20 000 Gulden aufbringen; aber auch den Dörfern des Amtes ging es nicht besser. Der Krieg sollte noch 8 Jahre weitergehen, und noch beinahe 10 Jahre waren die Schweden im Lande!

 

- Schluss folgt -

 

Mihla, 22.08.2013