Die Luftschlacht vom 27. September 1944 über Thüringen und Hessen

Der erste Kontakt  -Teil 4-

Im September 1944 kam es über Westthüringen und Hessen zu einer der letzten großen Luftschlachten zwischen den am Tage einfliegenden US-Bombern und deutschen Jägern. Herr Eberhard Hälbig aus Eisenach hat das Geschehen untersucht. Lesen Sie heute den Beginn der Luftschlacht:

Im Luftraum von Nazza war es die IV.Sturm/JG 3,  die als erste unter Führung von Hauptmann Wilhelm Moritz durch die Bomber Boxes flog und sie hatte dort auch die ersten Opfer zu beklagen -  nicht etwa durch gegnerische Jäger, die waren noch weit entfernt,  sondern vom Abwehrfeuer der B-24 Bomber. Diese hatten 10 Browning -  M2 MG, Kal. 50 an Bord und es gehörte großer Mut, große Wut oder große Verzweiflung dazu sich diesen Maschinen zu nähern. Es gab praktisch kaum einen Ort, den diese 10 Waffen  nicht erreichen konnten.

 

Jede von ihnen verschoss 750 - 850 Schuss pro Minute oder 14 Schuss pro Sekunde mit einer Geschwindigkeit von 1977 Meilen pro Stunde. Ein einzelnes Geschoss wog 2  Unzen oder 56 Gramm. Das bedeutet das pro Waffe 7,8 Kg Material pro Sekunde verschossen wurde und das ungefähr 78 kg Eisen, Kupfer und Brandmittel pro Sekunde und Flugzeug auf die Jagdflieger zurasten.

 

Die Browning MG haben sich konstruktiv bis heute kaum verändert, abgesehen von den Projektilen und werden auch heute noch eingesetzt. So ist die Durchschlagkraft von 1939 bis heute von 19 mm auf  34 mm gesteigert worden bei einer Entfernung von 500 Metern.

Die ersten Maschinen, die durch das konzentrierte Abwehrfeuer der Bomber verloren gingen, waren vermutlich die von der IV.Sturm/JG 3. Die gesamten Verluste der IV.Sturm/JG 3 an diesem Tag beliefen sich auf 7 Flugzeuge, darunter ein Gefallener. Es folgten in kurzem Abstand die Maschinen des JG 300 und des JG 4. Diese trafen allerdings schon auf die "Mustangs" der 361st Fighter Group. Die IV.Sturm/JG3 kam von Alteno, ihrem neuen Flugfeld, und formte mit der II./JG4 von Welzow und der II./JG 300 aus Bad Wörishofen einen Kampfverband, der aus etwa 100 FW 190 A8/R8 ?Sturmböcken? und  Bf 109 G-6 bestand. Die genaue Zahl der beteiligten Flugzeuge lässt sich nicht mehr ermitteln.

Als die Amerikaner  die vielen  kleinen, sich schnell nähernden Punkte bemerkten, dachten sie zuerst, dass da ihr Begleitschutz kommen würde. Doch dann erkannten sie, dass es keine P-47 ?Thunderbold?, sondern FW 190 ?Butcher Bird?  waren,  die auf sie zu kamen und  begannen  aus allen Rohren zu schießen.  Butcher bedeutet Schlachter. Sie gaben der ?190? diesen Spitznamen  und hatten großen  Respekt vor ihr. Es gibt Geschichten, dass man zur Hebung der Kampfmoral nach den großen Verlusten von 1943 ein Poster in den Bomber Basen aufhängte auf dem ein lächelnder Pilot zu sehen war. Darunter stand: ?Wer hat Angst vor der neuen Focke Wulf?? Ein Flieger hängte einen Zettel unter das Bild, worauf zu lesen war : ?Dann hier unterschreiben?. Alle Offiziere einschließlich des Kommandeurs sollen unterzeichnet haben.  Die FW 190 war von der Optik und Silhouette  leicht mit der P-47 zu verwechseln, so wie die P-51 ?Mustang? mit der Bf 109.  Die Amerikaner merkten jetzt, dass sie ohne Begleitschutz waren und das Abwehrfeuer zeigte auch auf deutscher Seite Wirkung. Dennoch war es ein ungleicher Kampf, denn die zweite Angriffswelle war bereits im Anflug. Ludwig Landerer war wohl eines der ersten Opfer der ersten Welle. Aber er gehörte zu den  glücklichen ?Opfern? dieses Tages, denn er überlebte. Er musste bei Nazza eine Notlandung machen weil er offensichtlich Treffer abbekommen hatte und das Fahrwerk seiner FW sich nicht mehr betätigen ließ. Höchstwahrscheinlich waren noch andere Systeme des Flugzeuges durch Beschuss betroffen, sodass ein Weiterfliegen nicht mehr möglich war. Drei Zeitzeugen können sich noch an dieses Ereignis erinnern. Der leider schon verstorbene  Herr Kurt Kaiser sah das Flugzeug auf das Dorf zurasen bis es kurz davor wieder in Richtung Falken abdrehte. Noch in Sichtweite flog es eine erneute Kurve Richtung Nazza. Auch Herr Fritz Singwald, der mit seiner Mutter auf dem Feld arbeitete, sah die Maschine auf Nazza zufliegen bevor sie in 30m-40m Höhe zurückkam  und auf dem ?Rosskopf? in der Nähe der ?Heimbuchen? eine Bruchlandung machte.

Die  Absturzstelle bei Nazza im Jahre 2013.

 

Als die FW 190 zum Stehen gekommen war, sprang der Pilot aus der Kanzel und rannte zu den Leuten, die  auf dem Feld bei der Ernte waren. Der junge Singwald wollte mit einem Messer dem Flieger entgegen laufen. Er wähnte einen Feindflieger. Die Mutter nahm es ihm aber wieder ab. Der Pilot erfragte von den Leuten den Weg zum Bürgermeister, denn die hatten meistens Telefon, um sich bei seiner Einheit zu melden. Dann ging er Richtung Nazza davon. Am Ortseingang wusch er sich an einem kleinen Brunnen das Blut aus dem Gesicht, das von leichten Verletzungen herrührte. Den kleinen Brunnen gibt es heute leider nicht mehr und auch das Straßenniveau ist höher als damals.

Die Stelle des Brunnens 2013.

 

HerrKurt Heilwagen erinnert sich noch gut an die Bergung. Ein aus Italienern bestehender Bergungstrupp war schon bald zur Stelle um zuerst den Motor zu bergen. Da bei BMW in Eisenach die BMW 801 Motoren der FW 190 gewartet und repariert wurden ist es naheliegend, dass er nach Eisenach gebracht wurde. Mit der Flugzeugzelle hatte man es nicht so eilig. Die wurde wesentlich später, ebenfalls durch Italiener zerlegt und auf dem ?Rosskopf? auf LKW verladen und weggefahren.

Der Oberfähnrich Ludwig Theodor Landerer gehörte zur IV.Sturm /JG 3 Udet, 15.Staffel. Er überlebte die Luftschlacht über Thüringen und Hessen - nicht aber den Krieg. Er wurde am 24.11.1924 in Tettnang, Baden Würtemberg als sechstes Kind der Familie Landerer am Bodensee - Schäferhof geboren. Beruf - Student und das sollte er auch bleiben. Am 02.02.1945 ist er bei Pyritz (Pyrzyce) gefallen und liegt heute vermutlich als unbekannter Soldat in Posen (Poznan). Er sollte nicht der einzige Verlust für die Familie Landerer sein. Der älteste Sohn der Familie und Bruder von Ludwig kam ebenfalls nicht aus dem Krieg zurück.

 

 

Auch die Amerikaner hatten zwischen Nazza, Madelungen und Krauthausen erste Verluste an Flugzeugen, vor allem aber an Menschenleben zu beklagen.  2Lt Roy E. Bolin von der

Der erste gefallene US- Flieger in der Luftschlacht, 2Lt Roy Bolin.

 

703rd Squadron flog mit seiner silberfarbenen B-24J-5, Kennung und Rufzeichen  DT 42- 51355, K  RN im Luftraum von Nazza und Madelungen, als sie schwere Treffer von 20 und 30 mm Geschossen in die Flügeltanks bekam. Feuer brach aus und einen kurzen Moment später explodierte der 100 Oktan Flugzeug Treibstoff. Das Flugzeug war ein Wrack und zerbrach in mehrere Teile. Bodenfunde und gefangene U.S. Flieger deuten darauf hin, dass in einem Gebiet zwischen den Orten Nazza, Mihla, Neukirchen, Ütteroda, Madelungen und Krauthausen sich schreckliches ereignet haben muss. Mehrere  U.S. Flieger wurden am Läuseberg - Neukirchen,  bei Krauthausen, in Ütteroda, Deubachshof, Creuzburg, Wendehausen und Großburschla gefangen genommen. Sie waren aus verschiedenen Flugzeugen.  Es war nicht nur das Flugzeug von 2 Lt. Roy E. Bolin, das getroffen war, sondern auch andere hatten bereits  große Schäden und montierten  ab, das heißt, sie verloren Teile, stürzten aber noch nicht  gleich ab, sondern flogen zum Teil noch sehr viel weiter. In Ütteroda holte die Wehrmacht einen Gefangenen mit dem ?seltenen? Namen Smith beim Bürgermeister ab, wo er gerade eine Suppe genoss, von der er sehr angetan war. Man behandelte ihn ausgesprochen gut, wie er später erklärte. Es gab an diesem 27. September 1944 sieben Flieger mit dem Namen Smith, einen,  Lt.George E. Smith in der Hunter crew, B-24H-20 FO 42- 9810, J+ IS ?Terrible Terry`s Terror?, 700 BS. Sie schafften es zurück bis nach Frankreich, wo sie eine Notlandung machen mussten. George flog noch 20 Missionen, bevor er am 09. März 1945 bei einem Angriff auf Münster getötet wurde. Zwei weitere in der Smith crew, B-24J -155, CO 42-51710, E MK, ?Maria Lupine?, 701 BS und einen in der Swofford crew ,B-24H ? 25 DT 42-51105, O MK, ?Sweetest Rose of Texas?, ebenfalls 701 BS. Sie alle kehrten nach England zurück, wobei die ?Sweetest Rose of Texas? auf ihrem Heimatstützpunkt in Tibenham über die Landebahn hinausraste, weil die Hydraulik in Motor drei von einem deutschen Jäger zerschossen worden war.  Ein weiterer Smith flog in der Warman crew, B-24J ? 90 CO 42-100308, QWV ?Our Gal?. Er wurde getötet. Aber einer von zwei Smith? in der Mannschaft von Lt. Donald muss der Flieger von Ütteroda sein, denn sie überlebten beide während ihr Flugzeug noch bis Nesselröden in Hessen flog.

 Bild 7 zeigt zwei Bombentüren von zwei unterschiedlichen B-24 Bombern, die bei Neukirchen gefunden wurden. Eine ist grün,  die andere war silberfarben.

 

Fortsetzung folgt.

 

Mihla, 22.08.2013