Operation ?ARGUMENT?, Teil 1

Ein Beitrag zur Luftkriegsgeschichte in Westthüringen

Im Februar 1944 griffen US- Bomber immer wieder deutsche Städte und Industrieanlagen an. Die ?Big Week? sollte die deutsche Widerstandskraft zerschlagen. Im Verlauf mehrerer Tage entwickelten sich zahlreiche Luftschlachten, die auch über den Thüringer Luftraum ausgetragen wurden. Die Verluste waren auf beiden Seiten enorm hoch und kosteten zudem vielen Zivilisten das Leben.

Luftkriegsforscher Eberhard Hälbig aus Eisenach hat sich in einem weiteren Bericht mit den Ereignissen beschäftigt. Zuletzt war über den Abschuss eines von Wesley Tibbetts bei Sondra am 24. Februar 1944 berichtet worden.

Eberhard Hälbig arbeitet zusammen mit Mihlas Ortschronisten Rainer Lämmerhirt an einem Buch, welches über all diese Ereignisse berichten soll.

Folgen wir Herrn Hälbig zu den dramatischen Ereignissen am 24. Februar 1944:

20 Minuten vor dem Absturz von Wesley Tibbetts in Sondra, versuchte die B-24,Tailnumber 42-100102, call sign (Rufzeichen) ?H? mit dem Spitznamen ?Texas Refugees?- die ?Texas Flüchtlinge?, von der 576th BS (Bomb Squadron),392 nd BG (Bomb Group) fünf deutschen Focke Wulf 190 Jagdflugzeugen zu entkommen.

In Ruhla war bereits Luftalarm ausgelöst worden. Trotzdem standen Menschen auf der Straße und konnten das schaurige Gemetzel im strahlend blauen Himmel beobachten. Ein Pulk von Bombern näherte sich aus Richtung Eisenach, dicht hinter ihnen die Jäger. Eine Zeitzeugin beobachtete mit ihrer Nachbarin das Geschehen, als einer der Bomber getroffen wurde und mit großer Geschwindigkeit auf sie zu raste. In panischer Angst rannten sie ins Haus um Schutz zu suchen. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie den schützenden Keller, als ein gewaltiger Schlag alles erzittern ließ. Danach war es gespenstig ruhig.

Als einige Minuten vergangen waren ging unsere Zeitzeugin nach draußen um zu sehen, was mit dem Flugzeug geschehen war. Das hätte sie fast mit dem Leben bezahlt. Die Maschine war mit voller Bombenlast 50 Meter neben der Villa Thiel/Schuchart aufgeschlagen und ein Zeitzünder zerriss das Flugzeug mit ohrenbetäubendem Knall. Über 400 Fenster sollen in Ruhla zu Bruch gegangen sein.

Viele ältere Ruhlaer kennen die Geschichte vom Bomberrad, das fast durch den ganzen Ort gerollt ist, bis es in der Nähe des UWR Klubhauses gestoppt wurde. Und viele können sich erinnern, dass ein Stück vom Propeller jahrzehntelang als Materialspender für Arbeitsproben in der Lehrwerkstatt der Firma FER diente.

Absturzstelle der B 24 von Thomas Cox in der Nähe der Villa Thiel in Ruhla, Sammlung Hälbig.

Von der zehnköpfigen Besatzung des Piloten 2nd Lt. Thomas Cox überlebten vier junge Männer die Katastrophe nicht.1st Lt. Paul Stankan, 2nd Lt. Haglund, S/S Meshon und S/S Helbing.

Einige der überlebenden Flieger wurden im Ort aufgegriffen, einer hing im Bermbachtal an einem Baum.

Im KU(deutsche Abkürzung für Kampfflugzeug USA) Bericht 987 finden wir die Mitteilung, das 2nd Lt. Haglund erst am 14.03.1944 bei Aufräumungsarbeiten unter den Trümmern des Flugzeuges gefunden wurde und das man ihn am 15.03.1944 um 15.00 Uhr auf dem Friedhof der Trinitatis Kirche in Ruhla, Abteilung H, Reihe 6, Grab 4 beigesetzt hat.

Guy Haglund wurde 1920 in Hennepin County, Minnesota geboren, trat am 28.März 1942 in Fort Snelling in die USAAF(U S Army Air Force)ein. Er war in seinem zivilen Leben Kraftfahrer und mit Lois Haglund verheiratet. Heute ruht er zusammen mit seinem Kameraden S/S Helbing auf dem Amerikanischen Soldatenfriedhof in Margraten, Holland, Abteilung D, Reihe 2, Grab 22.Helbing in Abteilung O, Reihe 14, Grab 10.

2nd Lt. Guy Haglund wurde erst Tage später unter den Resten seines Flugzeuges gefunden, Archiv Hälbig.

Das Leben und die Träume von fünf jungen Menschen, die glaubten das Richtige zu tun, fanden auf dem Friedhof der Trinitatis Kirche in Ruhla ein vorläufiges Ende : 1st Lt. Paul Stankan, 2nd Lt. Guy Haglund, S/S Martin Meshon, S/S Richard H.Helbing und Capt Wesley Tibbetts.

Aber sie waren nicht die Einzigsten. In Gotha starben bei der 11 Minuten dauernden Bombardierung 71 Männer, 15 Frauen und 3 Kinder, viele von ihnen Zwangsarbeiter, für die aberwitzigen, verbrecherischen Ziele von Despoten, die den krankhaften Traum von der Weltherrschaft träumten. Die jungen ?Helden? wurden, wie die Bombenopfer, selbst zu Opfern und wurden von Verbrechern um ihr Leben betrogen.

Das Sterben über Thüringen am 24.02.1944 ging weiter.

Eberhard Hälbig

- Fortsetzung folgt -

 

Mihla,21.01.2010 ?