Die späte Heimkehr

Am 13.September 1944 waren alle drei Bomber Divisionen der 8th USAAF im Einsatz. Ziele waren einmal mehr Öl produzierende Betriebe und andere Industrieanlagen.

Die 3rd BD(Bomb Division) attackierte mit B-17 Bombern Stuttgart, Sindelfingen, Darmstadt, Wiesbaden und Mainz.

Die 2nd BD griff mit Maschinen des Typs B-24 Ulm, Weissenhorn, Lützkendorf, Merseburg, Eisenach und Giessen an.

Die 1st BD flog mit B-17Flying Fortress Bombern Gera und Altenburg an. Auch von der AAB(ARMY AIR BASE) Podington starteten an jenem 13.September 1944 Flugzeuge. Podington AAB oder auch Station 109 genannt, lag in der Nähe des Dorfes Podington, North Bedfordshire, sechs Meilen entfernt von der kleinen Stadt Rushden, Northhamptonshire und war die Heimatbasis der 92nd Bomb Group, mit ihren vier Squadrons, der 325th(NV), 326th(JW), 327th(UX) und der 407th(PY).Am Leitwerk von silberfarbenen, unlackierten Maschinen war in einem großen, schwarzen Dreieck ein weißes B aufgemalt. Es war ein weißes Dreieck mit schwarzem B bei grün lackierten Flugzeugen.

B- 17 im Anflug auf Deutschland, Mat. Lämmerhirt.

B- 17 im Anflug auf Deutschland, Mat. Lämmerhirt.

Die 92nd BG(Bomb Group)der 1st BD verlor an diesem Tag 4 Flugzeuge. Eines davon hat seine Geschichte in unserer Heimat hinterlassen und erzählt sie bis in unsere Gegenwart, im Jahr 2008.

In einer B-17G mit der Serien Nummer 42-31250 und dem Spitznamen Mag the Hag, the 2nd flogen 9 junge Männer, alle im Alter zwischen 19 und 23 Jahre alt, unter Führung ihres Piloten 1Lt Harry W. Eck(O-760805) einen Bombenangriff auf Altenburg. Lt Eck stammte aus Minot, North Dakota. Der Co Pilot 2nd Lt Clyde L. Wren(O-764104)kam aus Washigton, Bombenschütze 2nd Lt Emil T. Wasilewski (O-772782)stammte aus Illinois,2nd Lt John R. Sauer(O-723180),der Navigator, trat seinen Dienst von New York aus an. S Sgt Clifford E. Keeney(33492927),der Turmschütze, war aus Pennsylvania,d er Funker S Sgt John E. Hogan (37611689) stammte aus Missouri, Heckschütze Sgt Thomas G. Deitman (13184619)war ebenfalls aus Pennsylvania und S Sgt John J .Bono (17089379) kam von Colorado. Woher Sgt George F. Clark (39920171 )kam ist nicht bekannt.

Sie alle wussten nicht viel von diesem Land Deutschland, das sie jetzt bombardierten und von der Stadt Altenburg hatten sie vermutlich beim Briefing (Einweisung über das Ziel der Bomber Mission)zum ersten mal gehört. Sie waren hier und flogen diesen Angriff weil Deutschland am 11.Dezember 1941 ihrem Land den Krieg erklärt hatte, nachdem der deutsche Verbündete im pazifischen Raum, Japan, heimtückisch ihren Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii angegriffen hatte -und weil sie jung waren. Sie bombardierten das Land, von dem dieser Krieg ausgegangen war.

Während der Grabungen auf dem Neustädter Friedhof 2008.

Während der Grabungen auf dem Neustädter Friedhof 2008.

Nachdem das Flugzeug seine Bombenlast über Altenburg abgeworfen hatte, achte sich der Verband auf den Heimweg nach England. Dabei wurden sie von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen. .Mag the Hag,the 2nd erhielt einen Treffer in einen der vier Motoren und Lt Eck musste ihn ausschalten. Das hatte zur Folge, dass sie aus dem Verband ausscheren mussten, weil sie nun zu langsam waren. Die Leistung der verbliebenen Motoren reichte nicht aus den notwendigen aerodynamischen Auftrieb zu erzeugen, der gebraucht wurde ein solch großes Flugzeug am Himmel zu halten. Sie verloren ständig an Höhe. Im Raum Eisenach war klar, dass sie es nicht bis England schaffen würden und sie suchten nach einem geeigneten Platz für eine Notlandung.

Lt Eck sah die Werrawiesen bei Neustädt und entschloss sich, es dort zu versuchen. Sie flogen eine große Kurve über Gerstungen und setzten über Neustädt zur Notlandung an. Doch sie verloren zu schnell an Höhe, rissen an einem Haus einen Schornstein ein und zerschellten auf den Gleisen der Bahnlinie Eisenach-Gerstungen am Kilometer 184.8 um 12 Uhr 45.

Fast alle Besatzungsmitglieder starben und wurden am 14.September auf dem Friedhof in Neustädt beigesetzt. George F.Clark, der einzige Überlebende, geriet in Gefangenschaft.

Damals, wie heute, gab und gibt es an der Absturzstelle kleine Gemüsegärten. Dort, wo das Flugzeug aufgeschlagen und explodiert ist, in einem kleinen Garten, direkt neben den Bahngleisen, hat der heutige Besitzer, Herr Wagner, einen kleinen Teich angelegt. Ab und zu steigen dünne Öllachen vom Grund auf -ein stummer Zeuge der damaligen Katastrophe.

Als die Amerikaner Thüringen räumten und die Russen nachrückten, wie es auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 von den Siegermächten beschlossen worden war, exhumierten sie auch die Leichen der Soldaten vom Friedhof in Neustädt. Eine Aufzeichnung im Sterbebuch, dass ich mit Einverständnis von Pfarrer Freiberg einsehen durfte, belegt dass. Neben den acht Toten vom 13.September wurden zwei weitere Flieger, S.E. Howell Jr. und Olen C. Byrd, die ebenfalls auf dem Friedhof von Neustädt beerdigt waren, exhumiert. Sie waren am 27.September während einer der größten Luftschlachten des zweiten Weltkrieges über dem Werratal abgeschossen worden. S.E. Howell gehörte zur Mannschaft von Lt Hansen, dessen B-24 in Richelsdorf abgestürzt war, und Olen C.Byrd war in der Crew von 1st Lt Baynham, dessen Maschine in Braunhausen zerschellte. Daran erinnert heute das deutsch ?amerikanisches Fliegerdenkmal in Friedlos bei Bad Hersfeld. Die beiden letztgenannten Howell und Byrd,s owie 2nd Lt Wren aus der B-17 vom 13.September 1944 wurden um den 4.-5.Juni 1945 in Margraten, Holland auf einem amerikanischen Soldatenfriedhof registriert. Lt Wren liegt noch immer dort, Abschnitt L,Reihe 21,Grab 12.Die anderen Besatzungsmitglieder von 42-31250 blieben vermisst .Alle am 4.oder 5.Juni 1945 nach Margraten gebrachten unbekannten Soldaten wurden nach Merkmalen der Besatzung von Mag the Hag,the 2nd untersucht. Ohne Erfolg. Sie erhielten den Status MIA(Missing in Action-Vermisst im Kampf)und ihre Namen wurden zur Erinnerung auf Steintafeln verewigt. Olen C.Byrd liegt heute im Abschnitt A, Reihe 23,Grab 7 auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Belgien, S.E. Howell Jr.ist in seine Heimat überführt worden und fand auf dem Palestine Cemetery der Stadt Grant, LA seine letzte Ruhe.

Behälter der B-17

Ein von der Absturzstelle geborgener Behälter der B-17, davor ein Modell des US- Bombers, Sammlung Hälbig.

Aber waren die anderen wirklich verloren? Die Nachricht der Exhumierung im Sterbebuch von Neustädt war nachträglich über den Eintrag 478,4 geschrieben worden ,in dem es um eine Beerdigung am 4.August 1945 ging. Die Amerikaner und ihre Toten waren schon einen Monat weg. War hier etwas unwissentlich und nicht ganz richtig nachgetragen worden? Oder waren die Toten in den Nachkriegswirren unterwegs verloren gegangen?

Im März 1991 wurde beim Ausheben eines neuen Grabes durch Herrn Löwe auf dem Friedhof in Neustädt eine amerikanische Erkennungsmarke gefunden. Sie gehörte Thomas G. Deitman, dem Heckschützen, von Mag the Hag,the 2nd.

Der Nachtrag im Sterbebuch, die Erkennungsmarke!? Waren die Flieger vielleicht noch da ?Einige Teams von JPAC(JOINT POW/MIA ACCOUNTING COMMAND- eine Organisation, die von Hawaii aus weltweit nach vermissten U.S .Soldaten sucht) waren vor Ort um Erkundungen durchzuführen. Bei einem Treffen im Jahr 2006,zu dem die U.S .Botschaft eingeladen hatte, wurde der Fall erneut besprochen .Anwesende Mitarbeiter und Historiker von JPAC, teilten meine Meinung, diesem Fall wegen der sich widersprechenden Informationen und neuen Beweisstücke Priorität zu geben. Ein IT Team (Intelligence Team) von JPAC bat mich darum, alle nötigen Genehmigungen zu beschaffen, eine Probegrabung auf dem Friedhof in Neustädt durchführen zu dürfen.

Die verantwortlichen Ämter und Personen vor Ort, Herr Bürgermeister Hartung von Gerstungen, Frau Rudloff, Leiterin des Ordnungsamtes, Herr Kühn, ebenfalls Ordnungsamt, sowie Frau Simon, Bürgermeisterin von Neustädt, unterstützten dieses Vorhaben sofort und trugen maßgeblich zum Gelingen bei.

Das Bergungsteam von JPAC unter Leitung von Doktor Fox begann im August mit der Suche nach den vermissten Soldaten -und wurde schon bald fündig .Die vorhandenen Informationen nutzend, studierte Doktor Fox das Erdreich im in Frage kommenden Abschnitt des Friedhofes. Unterschiedliche Farben, Absenkungen, Verwerfungen, für den Laien nicht zu erkennen, deuten für ihn auf natürlich gewachsenen Boden oder auf Erdreich hin, das zum Beispiel durch das Anlegen eines Grabes, verändert wurde. Schon bald kamen die Überreste eines beheizbaren, amerikanischen Fliegeranzuges zu Tage, Fallschirmreste und schließlich das, was nach 65 Jahren von einem Menschen noch geblieben ist. Es wurde auch eine weitere Erkennungsmarke gefunden. Wegen der noch laufenden forensischen Untersuchungen und im Anbetracht der Tatsache, dass zu allererst noch lebende Verwandte und Familienangehörige davon unterrichtet werden sollen ,dass ihre so lange Zeit vermissten Söhne, Brüder, Ehemänner- wie auch immer, gefunden worden sind, werden hier keine Namen genannt.

Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird man kleine Blumen aus Bronze vor den Namen der jungen Flieger auf der steinernen Tafel in Margraten, Holland setzen. Das bedeutet, sie sind gefunden und wurden nach Hause überführt -wie es im Motto von JPAC steht: UNTIL THEY ARE HOME -biss sie zu Hause sind.

Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit am Friedhof von Neustädt vorüber fahre, muss ich oft an sie denken und an die vielen Jahre meiner Suche nach ihnen -und ich bin froh, dass sie, wenn auch spät, heimgekehrt sind.

E. Hälbig

Mihla,13.12.2008 ?