Bilanz eines Tages des Schreckens E. Hälbig 

Lt. Bruce hatte den Abschuss eines Bombers überlebt. Später berichtete er über die Geschehnisse nach seinem Absprung:

 

"10 Stunden lang war ich durch den Wald und an einer Steinmauer entlang gekrochen, um ein Haus zu finden. Ich konnte einfach nicht aufstehen und litt unter furchtbaren Schmerzen.

 

Schließlich kroch ich an einem Zaun entlang und sah dahinter ein Bauernhaus. Ein Mann und zwei Frauen kamen heraus und trugen mich in das Haus. Sie wuschen mein Gesicht und versuchten mir etwas Milch zu geben. Aber ich konnte nicht schlucken. Ein etwa 12 jähriger Knabe kam herein mit einem Kleinkalibergewehr. Sein Großvater schlug es ihm aus der Hand und der kleine Scheißer rannte aus dem Haus. Er kam mit einigen Soldaten zurück….Ihre Furcht vor mir war unbegreiflich. Sie richteten ihre Waffen auf mich und schrieen laut irgendetwas. Dabei lag ich auf dem Rücken unfähig mich auch nur ein bisschen zu bewegen. Schließlich kam ein Offizier und stellte die üblichen Fragen: Welche Bombergruppe? Welcher Flugzeugtyp? usw. Ich sagte ihm meinen Namen, Rang und Seriennummer, wie wir es gelernt hatten und sonst nichts weiter. Ein weiterer Offizier kam herein und man brachte mich zu einem offenen Pferdewagen. Damit fuhren sie  mich durch das Dorf, das offensichtlich vollzählig anwesend war. Sie spuckten auf mich  warfen Steine und Stöcke nach mir. Als der Offizier den Ruhm mich gefangen zu haben genügend genossen hatte, wurde ich in einer Scheune eingesperrt. Am nächsten Morgen trat ich mit vier Soldaten die Reise nach Frankfurt zur weiteren Befragung an. Zu dieser Zeit war ich beinahe gelähmt und mein Körper über und über schwarz und blau gefärbt. Nach der Befragung wurde ich nach Obermassfeld in ein Lazarett verlegt. Dort untersuchte mich ein Arzt, der mir anschließend sagte, dass meine Hüfte gebrochen sei, ebenso meine rechte Schulter und ich nie wieder gehen beziehungsweise meinen rechten Arm bewegen könnte. Später erfuhr ich in den Staaten, dass auch meine Wirbelsäule gebrochen war. Nach einem weiteren Aufenthalt im Krankenhaus in Meiningen wurde ich am 21. Dezember ins Kriegsgefangenlager nach Sagan gebracht.

 

Dort blieb ich nur bis zum 27. Januar 1945. An diesem Tag mussten wir den langen Marsch nach Nürnberg antreten, das wir am 11. Februar erreichten. Dort traf ich einige meiner alten Fliegerkameraden, die mir erzählten, was mit uns am 27. September 44 geschehen war. Wir hatten 25 von 37 Flugzeugen verloren. Der größte Verlust in einer einzigen Mission während des ganzen Krieges.

 

Am 4. April 1945 wurden wir noch einmal verlegt in das Lager Moosburg. Auf dem Weg dorthin starben noch einige von unseren Kameraden durch friendly fire – eigenen Beschuss. Unsere Jägerpiloten wussten nicht, dass wir Kriegsgefangene waren, sondern hielten uns für deutsche Einheiten auf dem Rückzug. Das war ein sehr trauriges Ereignis. Die Deutschen in Moosburg waren freundlich. Sie wussten, dass der Krieg verloren war. Auch sahen sie genauso miserabel und hungrig aus wie wir. Was wir hinter uns hatten, stand ihnen nun bevor. Unser GROSSER TAG war der 29. April 1945. Die 14th Armored  Div. von Pattens 3. USArmy befreite uns und wir wurden nach Camp Lucky Strike in Frankreich ausgeflogen. Nach einer Erholungspause kamen wir per Schiff nach New York, wo ich erfuhr, dass ich Vater eines kleinen Mädchens geworden war.

 

Bilanz eines Tages des Schreckens 

Lt. Bruce mit seiner Familie wieder in der Heimat.

 

Lt. Bruce und sein Funker T/Sgt. Peter Pogovich waren die einzigen Überlebenden von „Bonnie Vee“. MACR 9397 hält fest, dass Peter Pogovich gegen 11.30 Uhr in der Nähe von Eisenach gefangen genommen wurde."

 

Bilanz eines Tages des Schreckens 

Der Funker Peter Pogovich überlebte ebenso wie sein Chef Lt. Bruce den Abschuss.

 

Lt. Bruce erholte sich wieder vollständig von seinen schweren Verletzungen und betrieb bis 1989 einen kleinen Handwerksbetrieb. Am 17.Oktober 1989 verstarb er mit 68 Jahren an einem Herzinfarkt und hinterließ seine Frau Vyrlin, einen Sohn und eine Tochter. Die Toten der Crew waren zunächst in Richelsdorf beigesetzt und wurden nach dem Krieg nach Lorrain oder in die USA umgebettet.

Mihla, 18. 09. 2014