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Stand Juli 2020
Mihlaer Jahreschronik Das Jahr 1925 Januar/Februar - Die Witwe Karoline Stein (Gastwirtschaft "Zur Erholung") feiert ihren 80sten Geburtstag. - Dr. Evers und der Lehrer Göpel führen einen Samariterkurs durch. Die Veranstaltungen sind gut besucht. - In der Gaststätte von Trabert in der Marktstraße findet ein Vortrag des Landwirtschaftslehrers Stein, Lehrer an der gemeinsamen Berufsschule in Mihla, zum Thema "Künstliche Düngung" statt. Der Vortrag wird von Mihlaer Bauern schlecht besucht. Dagegen sind viele Bauern aus Bischofroda anwesend. Herr Stein wird demnächst in Lauterbach einen allgemeinen landwirtschaftlichen Weiterbildungskursus beginnen. - Ein Arbeitsunfall ereignet sich Ende Januar beim Entladen eines Güterwaggons auf dem Mihlaer Bahnhof. Der aus Frankenroda stammende Bahnarbeiter Stein wurde dabei schwer verletzt. Die Mihlaer Sanitätskolonne war im Einsatz. - Die Ortsgruppe des "Werratalvereins" in Mihla hält im Saal der "Goldenen Aue" ihre Jahreshauptversammlung ab. Lehrer Wiedemann gibt den Bericht. Die Ortsgruppe ist neu gegründet worden, nachdem die zurückliegenden unruhigen Jahre zum Erliegen aller Aktivitäten geführt haben. Sie hat 30 Mitglieder. Leider gibt es wenig Echo auf die Wiedergründung des Vereins, so daß die Eisenacher Zeitung wie folgt einschätzt: "...Leider verwies der mangelhafte Besuch der Versammlung, daß die Mihlaer Bevölkerung ihren traurigen Ruhm als geistig schwerfällig und uninteressiert auch weiterhin beizubehalten gedenkt. Jedenfalls ist es von gebildeten Leuten unverständlich, wenn sie den Besuch eines Skatabends einer nach vielen Richtungen höchst wertvollen Sache, wie es der Werratalverein anstrebt, den Vorzug gibt!" - Die wirtschaftliche Besserung macht sich in Mihla bemerkbar. In der Hauptstraße öffnet ein Textilwarenladen. Der Gothaer Drogerist Willi Thomas eröffnet eine Drogerie unter den Namen "Werra- Medizinal- Drogerie". Er hat bereits Antrag für einen Neubau eines Geschäfts- und Wohnhauses gestellt. - Mitte Februar findet im Saal der "Goldenen Aue" eine Wahlversammlung der Deutschen Demokratischen Partei statt. Als Redner spricht zu den bevorstehenden Kreisratswahlen der Ingenieur Wilshaus aus Vacha. - Der Mihlaer Wehrverein hat in der "Goldenen Aue" ein Konzert der Bataillonsmusik des 2. Bataillons des Infanterieregimentes Nr. 15 aus Eisenach organisiert. Der Obermusikmeister Pfrieme wartet am Ende mit einer bunten Folge von Operettenmelodien auf, die zu stürmischen Beifall und mehreren Zugaben führen. Als letzte Zugabe wurde der Parademarsch "Friedericus Rex" gespielt. Das nachfolgende Tanzvergnügen geht bis zum frühen Morgen. - Die Kreisratswahlen am 22. Februar bringen der SPD in Mihla 568 Stimmen, der KPD 12 Stimmen, der Wirtschaftspartei 91 Stimmen, der Fortschrittspartei 27 Stimmen, dem Landbund 288 Stimmen, der Beamtenpartei 31 Stimmen und den Vereinigten Nationalistischen Parteien 23 Stimmen ein. März - In Mihla wird eine Gewerbebank auf genossenschaftlicher Grundlage gegründet. - Am 9. März führt der neugegründete Werratalverein erstmals eine eigene Veranstaltung für die Öffentlichkeit durch. Herr Studienrat Engelhardt aus Eschwege hält einen Diavortrag zum Thema "Das Werratal von Hannoversch- Münden bis zur Thüringer Pforte". Leider war der Vortrag von Mihlaern schlecht besucht. - Die Firma Wüstefeld und Kraft baggert Kies aus der Werra und bietet diesen zum Verkauf an.Mehrere Bagger sind oberhalb der Eisenbahnbrücke im Einsatz. - Die Forderungen nach Verbesserung der Verkehrsverhältnisse werden immer lauter. Dazu muß der Straßenzustand erheblich verbessert werden. Besonders die Straße von Mihla nach Mühlhausen ist in einem sehr schlechten Zustand. - Im Gemeinderatwird über Möglichkeiten der Einrichtung einer Kraftomnibuslinie nach Mühlhausen diskutiert. - Der Drogist Willi Thomas erhält die Genehmigung, auch mit Giften zu handeln. - Nach dem plötzlichen Tode von Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) machen sich, entsprechend der Verfassung, Neuwahlen für dieses Amt notwendig. Diese finden im 1. Wahlgang am 29. März statt. Erstmals wird auch Mihla vom leidenschaftlich geführten Wahlkampf erfaßt. Plakate werden geklebt und überklebt. 6 Kandidaten stehen zur Wahl: Thälmann (KPD), Braun (SPD), Jarres (DNVP, DVP), Marx (Zentrum), Hellpach (DDP) und Ludendorff (NSDAP).In Mihla erhält Thälmann 4 Stimmen, Braun 487 Stimmen, Jarres 377 Stimmen, Marx 3 Stimmen, Hellpach wird nicht gewählt und Ludendorff 1 Stimme.Da keiner der Kandidaten über 50 Prozent der angegebenen Stimmen erhalten hat, muß ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Für diese Stichwahl können von den jeweiligen Parteien auch andere Kandidaten nominiert werden. Es stellen sich schließlich Thälmann für die KPD, Marx wird vom Zentrum und der SPD, die auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, aufgestellt, und alle Rechtsparteien einigen sich auf den populären früheren Generalfeldmarschall des Kaisers, Paul von Hindenburg. Die Wahl soll am 26. April stattfinden. April/Mai - Auch in Mihla finden Wahlen statt. Der neugewählte Gemeinderat muß auf seiner ersten Sitzung am 9. April einen neuen hauptamtlichen Bürgermeister aus seinen Reihen wählen. Da die SPD nun die Mehrheit hat. Schlägt sie ihren vorherigen Gemeinderatsvorsitzenden, den Kaufmann Friedrich Märten, vor. Ehe es zur Wahl kommt, verlassen die Gemeinderäte der bürgerlichen Wählergemeinschaft den Sitzungsraum. Märten wird einstimmig von den Anwesenden für 6 Jahre gewählt und nimmt sofort die Amtsgeschäfte auf. Die "Opposition" verlangt von der Kreisaufsicht die Erklärung der Ungültigkeit der Wahl, was aber abgelehnt wird. Damit stellt in Mihla erstmals die SPD den Bürgermeister. - Die Vorbereitungen zum 50sten Gründungsjubiläum des Männergesangvereins beginnen. Eigentlich hätte das Jubiläum bereits 1923 stattfinden müssen, aber das war wegen der Inflation nicht möglich. Es wird geplant, neben einem großen Sängerfest auch eine Fahnenweihe durchzuführen. - Die Stichwahlen zum Amt des Reichspräsidenten bringen in Mihla folgendes Ergebnis: Thälmann - 10 Stimmen, Marx - 557 Stimmen, von Hindenburg - 489 Stimmen. So knapp geht auch die Wahl im Reichsmaßstab aus, Hindenburg erhältdort allerdings 48,3 Prozent, Marx kommt nur auf 45,3 Prozent und Thälmann auf 6,4 Prozent. Damit ist der Feldmarschall des Kaisers Staatsoberhaupt der Weimarer Demokratie! - Zum Himmelfahrtstag unternahm der Mihlaer Zweigverein des Werratalvereins eine Wanderung in den nördlichen Teil des Hainichs. Ziel der etwa 25 Teilnehmer war das Kurhaus Heyerode. Von dort aus ging es zum Normannstein weiter, um dann mit dem Zug von Treffurt nach Mihla zurückzukehren. Juni/Juli - Am 14. Juni findet das 50jährige Stiftungsjubiläum des Männergesangvereins Mihla mit einer Fahnenweihe statt. - Eine neue Telegraphenlinie wird zwischen Mihla und Buchenau in Betrieb genommen. - Der Bauzustand der Mihlaer Holzbrücken über die Werra ist noch immer sehr schlecht. Die Gemeinde läßt an der kleinen Brücke über die Mühllache Ausbesserungen vornehmen. - Die Werraschwimmfahrt zieht erneut Hunderte Gäste nach Mihla. - Es beginnen umfangreiche Straßenbauarbeiten an der Fernstraße Mihla- Mühlhausen. Aufgrund der schlechten Finanzlage der letzten Jahre wurde die Straße sehr vernachlässigt. Nun wird die gesamte Straße im Auftrage der Kreisverwaltung neu beschottert. Die Straße ist für mehrere Wochen voll gesperrt, der Fernverkehr wird über Treffurt nach Mühlhausen umgeleitet. Von Seiten der Gemeinde Mihla wird die Hoffnung ausgesprochen, daß nun auch die Staatsstraße von Neukirchen bis Mihla ausgebaut wird, damit endlich die schon lange geplante Kraftomnibuslinie Eisenach- Mihla- Mühlhausen realisiert werden kann. - Das Mihlaer Schützenfest wird in diesem Jahr besonders groß gefeiert. Es ist dem Verein gelungen, ein eigenes Schützenhaus mit Schießanlage am Propel aufzubauen. Anläßlich des Festes wird das neue Schützenhaus eingeweiht. - Der Polizist Stammbacher wird von Mihla wegversetzt. - Schwere Wolkenbrüche gehen zwischen Mihla und Stregda nieder. - In Mihla wird eine Ortsgruppe der Kriegsgeschädigten und Hinterbliebenen gegründet. Vorsitzender wird Herr Wilhelm Böhning. - Die Bauarbeiten an der Straße Mihla - Mühlhausen stehen kurz vor dem Abschluß. Gebaut wird an der "Struppeiche". - Auf der Werra ereignet sich ein tödlicher Unfall. Bei Baggerarbeiten im Auftrage des Elektrizitätswerkes ertrank der 23jährige Mihlaer Arbeiter Albin Schuchardt in der Werra. - Die Mihlaer Sanitätskolonne übte auf dem Hof der Bürgerschule in der Marktstraße. Bei der Übung ging man davon aus, daß ein Teil des Schulhauses von einem Orkan zerstört wurde. Die Übung verlief sehr erfolgreich. Im Nachgang konnten 15 Kameraden der Sanitätskolonne für langjährige treue Dienste ausgezeichnet werden, darunter der Stellvertretende Bürgermeister H. Meyfarth. - Auch die Straße Neukirchen bis Mihla wird völlig erneuert. So wird zur Zeit ein neues Packlager eingebracht. Oktober bis Dezember - Der Gemeinderat beschließt, Finanzmittel zur Beschaffung eines Schulkinos zur Verfügung zu stellen. Weiterhin soll im Ort eine Wanderbibliothek eingerichtet werden. Damit wird die erste Mihlaer Bibliothek begründet. - Für Diskussionen unter der Einwohnerschaft sorgt der Vorschlag des Landbezirkes Eisenach, in Mihla ein Krankenhaus aufzubauen. Später wird dieser Vorschlag allerdings nicht weiterverfolgt. - Zum ersten Mal in diesem Jahr führt die Werra einen normalen Hochwasserstand. Ein reger Flößerbetrieb ist zu vermelden. - In der Grundmühle bricht der Typhus aus. - Im Gemeinderat wird um einen dringend notwendigen Schulneubau diskutiert. Die Bürgerschule in der Marktstraße ist in einem so schlechten Zustand, daß die bauliche Sperrung droht. Mit den beiden Schulsälen in der Karl- Alexander- Schule ist der Schulbetrieb nicht durchführbar. Es bleibt jedoch bei verschiedenen Vorschlägen, da das Geld für einen Neubau fehlt. Selbst der Beschluß zum Verputzen der Karl- Alexander- Schule kann später nicht umgesetzt werden. - Die Mädchenberufsschule am Ölberg organisiert eine Handarbeitsausstellung. - Am 6.11. wird die erneuerte Staatsstraße von Eisenach bis zur preußischen Grenze an der Struppeiche feierlich eröffnet. - Die Mädchenturnriege unter Leitung von Frau Evers führt in der Vorweihnachtszeit in der "Aue" ein Schauturnen durch. - Silvester gibt es Hochwasser der Werra, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde. Vom Flachsanbau und der Leineweberei Zu den ältesten und verbreitesten Handwerken in Mihla zählt die Leineweberei. In vielen Häusern, meist in der guten Stube, stand früher der Webstuhl.Die meisten Kleidungsstücke wurden von den Bauern selbst angefertigt. Erst im Verlauf der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts kam die Leineweberei immer mehr aus der Mode, wurden die Leinensachen durch moderne Stoffe ersetzt. Zuletzt versuchte der Nazzaer Unternehmer Bergemann noch, die Weberei betriebsmäßig aufrecht zu erhalten. Grundstoff für die Leineweberei war Flachs. Die meisten Mihlaer Bauern besaßen sogenannte "Flachsgärten". Es gab auch "Flachsbauern", meist kleine Bauernwirtschaften, die mit ihrem Hauptprodukt die Leineweber belieferten. Erhalten haben sich bis heute mitunter alte Werkzeuge aus dieser Zeit, leider aber kein Webstuhl. So gab es Flachsbrechen, die Weife oder das Spinnrad. Kaum noch bekannt ist dagegen dieKenntnis von der Herstellung des Leinen aus Flachs. Zunächst war es für den Flachsanbau wichtig, auf althergebrachte Wetterregeln zu achten und die festgelegten Traditionen einzuhalten. So galt zum Beispiel "Ist Lichtmeß (2. Februar) hell und klar, gibt es ein gutes Flachsjahr". Am 21. Juni, dem längsten Tag des Jahres, wurde der Flachs gesät. Dazu benutzte man nur sorgfältig ausgewähltes Saatgut. Häufiges Unkrautjäten beschäftigte alsbald die gesamte Familie. Sobald im Herbst die "Federn" genannten Blätter der Pflanze abfielen, rückte die Zeit der Flachskirmes heran. Die Bauernfrauen veranstalteten diese gemeinsam, daher die Bezeichnung Kirmes. Die Pflanzen wurden gerupft und zu Bündeln verstrickt. Danach kamen die Flachsbündel indie Scheune, wo sie "gerefft" wurden. Aus den gedörrten Knotten drosch man schließlich den Leinsamen aus, der als bäuerlicher Grundstoff in der Küche Verwendung fand. Der zu kleinen Bündeln gedrehte Flachs kam anschließend in die Flachsröste, wurde dort, im Wasser liegend, mit Steinen beschwert und nach etwa 10 Tagen ausgewaschen und in Bündeln zum Trocknen aufgestellt. Das geschah häufig an festgelegten und gewohnten Plätzen, in Mihla im "Dörrgarten", woraus später "Dorfgarten" wurde; der heutige Sportplatz. Die trockenen Bündel kamen dann unters Dach und wurden im zeitigen Frühjahr gebleut. Auf dem Brechstock und auf dem Schwingstock erfolgte die anschließende Weiterverarbeitung. Zum Schluß wurde "gehechelt". Der dabei anfallende Abfall, grobes und feines Werg, stand alsbald zum Spinnen zur Verfügung. Aus dem groben Werg wurden in den bäuerlichen Wirtschaften die so dringend benötigten Säcke, feines Werg verarbeitete man zu Handtüchern und auch zu "guten Tuch", was aufgetragenwerden konnte. Der eigentliche Flachs kam in einen Sack und wurde dann in den langen Winterabenden gesponnen. Im geselligen Beisammensein trafen sich die Frauen und Mädchen in den "Spinnstuben". Diese waren willkommene Abwechslungen im harten undentbehrungsreichen Leben unserer Vorfahren. Während des gemeinsamen Spinnens wurden die Dorfneuigkeiten besprochen, der "Dorfklatsch" machte so seine Runde. Wer keinen eigenen Webstuhl besaß, trug das im Wasser ausgerungene Flachsgarn zum Leineweber. Dieser verarbeitete es zu Tuch, das nach der Bleiche zur Verfügung stand und meist in den Bauerntruhen aufbewahrt wurde.
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