Vor 150 Jahren: Deutsch-Französischer Krieg und die Deutsche Einheit - Ein Mythos 


Bayrische Truppen stürmen am 1. September 1870 während der Schlacht um Sedan im Häuserkampf den Vorort Bazeilles, Zigarettenalbum Museum im Rathaus Mihla. 

Historischer Hintergrund 

Vor 150 Jahren, im August 1870, begann der dritte einer Reihe von „Einigungskriegen“, mit denen das Königreich Preußen sein Territorium ausweitete, Konkurrenten aus dem Felde schlug und mit Hilfe der deutschen Nationalbewegung die süddeutschen Staaten Hessen, Bayern, Württemberg und Baden in diesen nationalen Taumel hineinzog und gemeinsam mit den Truppen des Norddeutschen Bundes dem Französischen Kaiserreich unter Napoleon III. eine schwere militärische Niederlage bereitete. 

Preußens Ministerpräsident Otto von Bismarck hatte die Politik geschickt und kompromisslos durchgesetzt. Nach dem Sieg über Dänemark 1864 und Österreich 1866 siegten nun die deutschen Truppen in der Schlacht bei Sedan am 1. und 2. September 1870 über die Truppen Napoleons. Dieser geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft. Der „Sedantag“ wurde fortan zum Staatsfeiertag. 

Obwohl nun die französische Gefahr beseitigt war, gingen die deutschen Truppen zur Eroberung Frankreichs über. Die neue französische Republik organisierte den Widerstand, der sich bis Januar 1871 hinzog und noch weitaus mehr Tote forderte als der bisherige Kriegsverlauf. Paris wurde belagert und beschossen, ehe es kapitulierte. Zahlreiche Kriegsverbrechen fanden auf beiden Seiten statt. 

Am 18. Januar 1871 proklamierten die deutschen Fürsten im Spiegelsaal von Versailles, im „heiligsten Heiligtum der französischen Nation“, das Deutsche Kaiserreich und riefen den Preußenkönig Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser aus. Die deutsche Einheit, ein uralter Traum, war geschaffen, aber durch Waffengewalt und im Ergebnis eines Eroberungskrieges. Sie basierte“ auf dem Franzosenhass…“. Die französische Nation sann auf Rache… Diese kam 1919, wiederum im Spiegelsaal von Versailles, nach der deutschen Niederlage im 1. Weltkrieg. 


Im Spiegelsaal von Versailles, 18. Januar 1871: Die deutschen Fürsten rufen den Preußenkönig Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser aus. In weißer Kürassieruniform der „Macher“ des Reiches, Otto von Bismarck, daneben Generalfeldmarschall von Moltke, der Militärführer, Zigarettenalbum, Museum im Mihlaer Rathaus. 

Mihlaer Gefallene im Krieg 1870/71 

Etwa 40 Männer wurden eingezogen 

  1. Johann Friedrich August Karl von Harstall, Prämierleutnant (Oberleutnant), im Inf. Reg, Nr. 94, 21 Jahre, 7 Monate, 26 Tage, gefallen am 18. Oktober 1870 im Gefecht bei Chateaudum in Frankreich, Schusswunde durch den Kopf, unverheiratet, Bruder des letzten Mihlaer Barons von Harstall.                                                
  1. Ernst Friedrich Cott, Musketier, Inf. Reg. 94, 25 Jahre, 7 Monate und 15 Tage, gefallen am 1.9.1870 bei Sedan, unverheiratet, Eltern: Johann Christoph Cott und Anna Magdalena, geb. Metzing. 
  1. Johann Christian Nowatzky, Musketier, Inf. Reg. 88, 22 Jahre, 8 Monate und 12 Tage, gefallen am 1.9.1870 bei Sedan, Schuss durch die Brust, unverheiratet, Eltern: Johann Adam Nowatzky und Anna Magdalena, geb. Merse. 
  1. Justinius Frank, Gefreiter, Inf. Reg. 94, 23 Jahre, 9 Monate, 26 Tage, gestorben an einer Verwundung in der Schlacht bei Meuny, Loire, im Lazarett, 27.12.1870, Eltern: Georg Heinrich Franke und Anna Dorothea, geb. Lämmerhirt. 
  1. Gustav Stötzel, Musketier, Inf. Reg. 32, nicht im Kirchenbuch vermerkt. Für die Hinweise aus dem Mihlaer Kirchenbuch vielen Dank an Frau Dorothea Raatz! 

15 Männer wurden verwundet, zum Teil schwer. Sie und die Teilnehmer am Krieg, den „1870er Veteranen“, standen an den „Sedanstagen“ immer wieder im Mittelpunkt von Aufmärschen und Festakten. 


Johann Friedrich v. Harstall, im Oktober als Oberleutnant bei den 94ern in Frankreich gefallen. 

Vor 150 Jahren begann der letzte der drei Kriege, die Preußen gegen die Nachbarstaaten Dänemark, Österrich und Frankreich führte, um gewaltsam die deutsche Einheit zu erlangen. 

Der Krieg gegen die Großmacht Frankreich, der nach der Emser Depesche von Bismarck provoziert wurde, entwickelte sich dabei zu einem blutigen Massenkrieg. 

Aus unserer Region waren hunderte Männer eingezogen worden und nahmen an den meisten der Kämpfe teil. Für eine ganze Generation beherrschten dann die siegreichen Schlachten das allgemeine Bewusstsein und ließen das deutsche Militär als unbesiegbar erscheinen, bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914… 


Die erste Schlacht des Krieges wurde um die elsässische Kleinstadt Weißenburg geführt. Am 4. August 1870 stürmen bayrische Truppen das Landauer Tor. Weißenburg ist Nachbarort der Mihlaer Partnergemeinde Oberotterbach, Zigarettenbilderalbum, Museum im Mihlaer Rathaus. 

Wichtige Schlachten des Krieges: 

  • Weißenburg, 4. August 1870, Verluste: 1.500 auf dt. und 1.000 Soldaten auf franz. Seite
  • Wörth, 6. August 1870, Verluste: 11.000 auf dt. Seite, 8000 Soldaten auf franz. Seite
  • Spicherer Höhen, 6. August 1870, Verluste: 5.000 auf deutscher Seite, 2.000 auf franz. Seite
  • Vionville-Mars la Tour, 16. August 1870, Verluste: 16.000 auf dt. und 17.000 auf fr. Seite
  • Gravelotte St. Privat, 18. August 1870, Verluste: 21.000 auf dt. und 16.000 auf fr. Seite 


„Todesritt der Brigade Bredow“ bei St. Privat. Die Schlacht bei Gravelotte St. Privat war die blutigste des gesamten Krieges. Sie wurde durch die deutsche Berichterstattung zum Mythos verklärt, insbesondere durch den verlustreichen Angriff der Kavalleriebrigade Bredow, den letzten großen Reiterangriff in der Geschichte der Kriege.                 

  • Sedan, 1. und 2. September 1870, Entscheidungsschlacht, Verluste: 9000 auf dt. und 17. 000 auf franz. Seite, Gefangennahme Kaiser Napoleon III.


September 1870: Der am Tag zuvor in deutsche Gefangenschaft geratene französische Kaiser Napoleon III. hatte den Kanzler des Norddeutschen Bundes, Otto von Bismarck, um ein persönliches Gespräch gebeten. Dieses fand vor dem „Weberhäuschen“ von Donchery bei Sedan statt. Bismarck lehnte das Gesuch des Kaisers ab, der französischen Armee den Rückzug in das neutrale Belgien zu gewähren. „Auf Dankbarkeit Frankreichs könne man nicht rechnen“, so Bismarck. So blieb nur die Kapitulation der gesamten französischen Armee, ein weiterer „Mythos“ um das Jahr 1870.

Kriegsentscheidung

Nach der Kapitulation von Sedan wurde die kaiserliche Regierung in Paris gestürzt. Am 4. April wurde die Republik ausgerufen, die den Kampf gegen die deutschen Truppen fortsetzte.

Am 15. September begann daher die Belagerung der Millionenstadt Paris, die unbeschreibliches Elend für die Zivilbevölkerung mit sich brachte. Dies steigerte sich noch, nachdem die Stadt seit dem 27. Dezember durch die deutsche Artillerie beschossen wurde.

Inzwischen kapitulierten die bei Kriegsbeginn eingeschlossenen französischen Festungen:

  • Straßbourg am 27. September
  • Metz am 27. Oktober

Die rasch aufgestellten Entlastungsarmeen für die Hauptstadt Paris erlitten schwere Niederlagen:

  • Im Dezember die Loire-Armee bei Orleans und Le Mans im Januar 1871
  • Im Januar 1871 die Nordarmee bei St. Quentin und an der Lisaine

Ausfallversuche der Pariser Besatzung scheiterten ebenso wie der Volkswiderstand der Franctireurs, sodass die Hauptstadt Paris am 24. Januar 1871 kapitulierte. 

Das „im Franzosenhass“ vereinte Deutschland hatte den Krieg gewonnen. 


„Den im Kampf 1870/71 gefallenen Mihlaern“, Denkmal vor der Mihlaer St. Martinskirche. 

Denkmäler 

Die Erinnerung an die Einigungskriege, vor allem an den Deutsch-Französischen Krieg, führte zum Errichten zahlreicher Denkmäler. 

Neben Erinnerungsorten auf den Schlachtfeldern des Krieges und in den Heimatorten der gefallenen Kriegsteilnehmer verstärkten Bismarckdenkmäler und Bismarcktürme um den „Schmied der Einheit“ den Mythos und die Reichseinigung und verklärten diese. 

In Mihla stiftete die Gemeinde ein „Kriegerdenkmal“ für die fünf Gefallenen und ließ es in der Mitte des Marktplatzes errichten. 

Hier kam es wenig später zu einem tödlichen Unfall, als ein Kind auf dem eisernen Umfassungszaun starb. Daher wurde das Denkmal dann auf das Kirchengelände versetzt. 

Der Marktplatz wurde bis 1918 als Aufmarschplatz für Paraden und Jubelfeiern anlässlich des „Sedanstages“ (2. September) genutzt. Festgottesdienste und Feuerwerke sowie Ehrungen für die Kriegsveteranen rundeten den eigentlichen deutschen Nationalfeiertag im Kaiserreich ab. 

In Mihla gab es bald eine „Bismarckstraße“ und in Eisenach wurde auf dem Wartenberg ein „Bismarckturm“ errichtet. 

                     
Diese beiden Bilder aus historischen Postkarten zeigen den früheren Standort des Gefallenendenkmals für den Deutsch-Französischen Krieg. 

Das Gefecht um Chateaudum am 18. Oktober 1870

Zu einem folgenschweren Gefecht kam es am 18. Oktober 1870 im Zusammenhang mit den Kämpfen gegen die Loire-Armee um den Besitz der Kleinstadt Chateaudum, etwa 50 Kilometer von Orleans entfernt. 

Die Stadt mit 7000 Einwohnern wurde ausschließlich von französischen Franctireurs unter dem Befehl des Polen Lipowsky und von Mobilgarden aus der Region (etwa 1300Mann) zäh verteidigt. 

Auf deutscher Seite waren am Sturm auf die Stadt die 22. Division unter General von Wittich mit den Regimentern 95, 32 und 94 (Sachsen-Weimar) und eine Husarenabteilung beteiligt. 

Die Franzosen leisteten erbitterten Widerstand, der bis in die Nacht anhielt. Dabei ging die Stadt in Flammen auf. 213 Häuser lagen in Schutt und Asche. 

Die Franzosen mussten schließlich die Stadt räumen. Sie verloren etwa 300 Mann, davon 150 Gefangene, die deutschen Truppen mussten den Tod von sechs Offizieren und 98 Soldaten hinnehmen. 

Darunter war auch der Mihlaer Premierleutnant Johann Friedrich von Harstall, der als Kompaniechef im Häuserkampf in der Nacht durch einen Kopfschuss getötet wurde. 

In den Familienunterlagen der Harstalls befinden sich zwei Fotos der stark zerstörten Stadt:                                                        

              

Sicher hatten Regimentskameraden diese Fotos besorgt und der Familie geschickt. Mit dabei bei den Unterlagen auch eine Zeichnung des Kampfes.


Museum „Adel, Bauern und Kriege“ im Mihlaer Rathaus.

Rainer Lämmerhirt