Wie sah die Mihlaer Kemenate einst aus? 

Das ist eine für historisch Interessierte spannende Frage… 

Zunächst zu einigen Fakten. 

Das heutige „Graue Schloss“, inzwischen bis auf den früheren Zinsboden, den jetzigen Pferdestall, von allen Nebengebäuden befreit, war bis vor 80 Jahren Zentrum eines regelrechten kleinen Dorfes. Die Schlossgebäude in der heutigen Form entstanden als typischer Renaissancebau durch die Umbauten der Herren von Harstall im 16. Jahrhundert. Vorher stand an dieser Stelle über mehrere Jahrhunderte hinweg eine in den Urkunden als „Kemenate“ bezeichnete kleine Wasserburg. 

Schon im 10. Jahrhundert nannten sich eine adlige Familie nach ihrem Herkunfstort „von Mihla“. 

Diese „Herren von Mihla“ stiegen im 13.Jahrhundert als Nebenlinie der Truchsesse von Schlotheim zur Führungsschicht am Thüringer Landgrafenhof auf. 

Sie ließen im Überschwemmungsbiet der Werra eine leicht zu verteidigende Wasserburg aus Stein errichten, die sogenannte „Kemenate“. Vermutlich bestand sie aus einem großen steinernen Gebäude mit mehreren Nebenbauwerken, die durchaus aus Fachwerk errichtet gewesen sein können. Auf jeden Fall schützten Wassergräben, die von der Lauter abgezweigt wurden, und in die Werra bzw. den Mühlwehrarm mündeten, die Anlage und machten die kleine Burg daher kaum angreifbar. 

In den Jahren von 1362 bis 1367 erfolgte eine erste schriftliche Nennung dieser Kemenate in einem Weistum, welches die Herren von Mihla im Auftrage ihrer Lehnsherren, der Erzbischöfe von Mainz, aufstellten. Es ist aber davon auszugehen, dass die Wasserburg bereits im Verlauf des 13. Jahrhunderts ausgebaut wurde und ihr späteres Aussehen erreicht hatte. Die mittelalterliche Kemenate lebt heute im „Grauen Schloss“ fort. 

Im Jahre 1436 erwarben sieben Brüder und Vettern aus der Familie der Herren von Harstall käuflich die Kemenate der Herren von Wangenheim in Mihla, eine aus dem 13. Jahrhundert stammende Wasserburg in der Werraniederung, umgeben von künstlich angelegten Gräben und dem Sandbach, das heutige „Graue Schloss“. 

Die Harstalls nutzten beim Kauf der Burg die unsichere Landesherrschaft aus. Die Brüder Herzog Wilhelm und Kurfürst Friedrich aus der Familie der Wettiner konnten sich über ihr Erbe nicht einigen. 

Die Harstalls hielten damals zum Herzog Wilhelm. 1445 brach um das Erbe der Sächsische Bruderkrieg aus. Dieser Krieg brachte für das Werratal schwere Verwüstungen, vor allem, nachdem sich der Geheime Rat des Herzogs, Apel Vitztum von Niederoßla, auf eigene Kappe bereicherte. 


Die Ritter von Harstall leiten die Verteidigung der Wasserburg. Auf dieser Szene führen sie gerade einen Ausfall gegen die Belagerer durch, Diorama im Museum im Rathaus. 

1451 zogen kurfürstliche Truppen, unterstützt von den Aufgeboten der großen Städte Nordhausen, Erfurt und Sondershausen, durch das Werratal. Sie belagerten die Burg Haineck, in der sich Spießgesellen der Vitztume verschanzt hatten. Die Mihlaer Wasserburg wurde ebenfalls belagert. Hans, Ernst und Hermann von Harstall hielten mit ihren Knechten jedoch so lange stand, bis Ersatz nahte. Herzog Wilhelm hatte eigentlich gegen die Hussiten, kämpfende Ritter des Deutschen Ordens gewonnen, und kam um seine Verbündeten zu unterstützen. 

Das Eintreffen der Ordensritter rettete die Verteidiger der Mihlaer Kemenate. Die Belagerung wurde aufgegeben und die Harstalls blieben in ihrem Besitz. 

Allerdings mussten sie nach dem Ende der Kämpfe 1452 die Burg und den Ort Mihla von Herzog Wilhelm als Sächsisches Mannlehen annehmen. Damit war die Hoffnung auf einen vom Landesherren unabhängigen Besitz verspielt. 

Diese Szene, das Eintreffen der Ordensritter als Entsatz für die harstallsche Burgbesatzung, ist im Raum 2 des Mihlaer Museums als Diorama dargestellt. Dort ist auch eine mögliche Ansicht der Wasserburg einbezogen. 

Dieser Tage erhielt ich Besuch von Herrn Harry Bernhardt aus Wutha-Farnroda. Herr Bernhardt arbeitet seit längerer Zeit an einem sehr spannenden Hobby: Er rekonstruierte auf dem Computer Burganlagen, Mühlen, Wüstungen, so, wie sei einmal ausgesehen haben könnten! Eine faszinierende Geschichte und ich konnte mich von tollen Ergebnissen seiner Arbeit überzeugen. 

Nach mehreren Museumsbesuchen hat sich nun Herr Bernhardt auch mit dem möglichen einstigen Aussehen unserer Mihlaer Kemenate beschäftigt. Mehrere Entwürfe entstanden und zuletzt dann auch der nachfolgende Anblick der Mihlaer Wasserburg von der Werraseite her. 


Rekonstruktion der Mihlaer Wasserburg, der „Kemenate“, dem heutigen „Grauen Schloss“, etwa um das Jahr 1400. Wir blicken von der Werra (Mühlgraben) her auf die Burganlage. Die Wassergräben, deren Verlauf man in den 90er Jahren festgestellt hat, umspülen die Kernburg, einige Wirtschaftsgebäude liegen außerhalb. Auf dem Bergrücken erhebt sich die Mihlaer Kirche mit ihrem romanisch gestalteten Turm und dem vorreformatorischen Kirchenschiff. Eine interessante Variante, so könnte es ausgehsehen haben! 

Vielen Dank an Herrn Bernhardt! Im Moment beschäftigt er sich mit Rekonstruktionsversuchen der Dudelkirche bei Nazza. Wir können gespannt sein! 

Der Entwurf von Herrn Bernhardt ist zukünftig im Mihlaer Museum im Raum 2 zu sehen. 

- Ortschronist Mihla -