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Stand Juli 2020
Vor über einem Jahr erhielt ich bei ihrem letzten Besuch in Mihla von Frau Barbara Kuhlmann, der Urenkelin der Harstalls, ein Paket von alten Fotos, Briefen, amtlichen Dokumenten und Zeitungsausschnitten.
Bisher hatte ich keine Zeit, mich ausführlich damit zu beschäftigen. Ein positiver Aspekt der gegenwärtigen Coronakrise; man hat mit dem Wegbrechen vieler Termine auf einmal mehr Zeit für Dinge, die ansonsten immer verschoben werden. So geht es auch mir und ich nahm mir das Kuhlmannsche Päckchen vor.
Dabei stellte ich fest, dass darin ein weiteres extra verschnürtes Bündel verstaut war. Nach dem Sichten hielt ich Material zu einer Familie Fischer in den Händen. Die Familie Fischer war mir aus der Beschäftigung mit der Harstallsfamilie dahingehend bekannt, dass eine Schwester des letzten Barons, Georg Ludwig Ernst, einen Hauptmann Fischer heiratete. Dies und die Vermutung, dass dieser Offizier im letzten Kriegsjahr 1918 gefallen war, mehr wusste ich bis dahin nicht über die Familie Fischer.
Ein erstes Sichten machte mir rasch klar, dass dies eine interessante Geschichte und eine Ergänzung der bisher bekannten Fakten zu der Harstallsfamilie und deren Entwicklung bedeutet. Zudem können durch diese Materialien weitere Lücken geschlossen werden. Es offenbarte sich rasch, dass mit diesen Dokumenten ein typisch deutsches Schicksal dieser Jahre aufgedeckt werden kann…
Aber der Reihe nach:
Bekannt war, dass der im Mihlaer „Grauen Schloss“ lebende Carl Friedrich Wilhelm von Harstall (1817-1900), verheiratet mit Franziska Maria Luise Köhler neben zwei Söhnen, Friedrich Johann, 1849 geboren, und Georg Ludwig Ernst, 1861 geboren, auch mehrere Töchter hatte.
Zunächst zu den beiden Söhnen. Friedrich Johann wurde Offizier und fand während des Feldzuges in Frankreich 1870, also vor 150 Jahren, den Tod. Damit wurde der jüngere Georg Ludwig Ernst der Erbe des Rittergutes „Graues Schloss“. Nach dem Tode des Vaters trat er dann auch im Jahre 1900 dieses Erbe an und wurde zum letzten Mihlaer Gutsherren. Er verstarb im Februar 1945.
Bekannt war weiter, dass die 1857 geborene Tochter Helene Dorothea den Oberförster Paul Trautvetter aus Geisa in der Rhön heiratete. Aus dieser Linie stammt dann die bekannte Maria Begas, eine Frau, die aufgrund ihres persönlichen Schicksals und ihrer beruflichen Entwicklung zu einer der besten Zeitzeuginnen des „Kirchenkampfes“ der Nazis mit der Thüringer Bekennenden Kirche wurde. Über sie sind dicke Bücher geschrieben worden.
Die Schwester jener Helene Dorothea, Caroline Friderike, Lina genannt, 1850 geboren, heiratete ebenfalls in eine bürgerliche Familie ein. Das war beim damaligen Adel inzwischen bereits üblich geworden. Ehemann der „Lina“ war ein Hauptmann Wilhelm Fischer.
Bisher nahm man an, dass dieser Wilhelm Fischer, über den kaum etwas bekannt war, als Oberstleutnant kurz vor Ende des 1. Weltkrieges im Herbst 1918 gefallen sei. Einzelheiten kannte man nicht.
Nach der Sichtung der Materialien von Frau Kuhlmann schließt sich nun eine Lücke dieses Teiles der Familiengeschichte.
Noch sind nicht alle Informationen ausgewertet, aber es lässt sich folgendes darstellen:
Wilhelm Fischer hatte die Harstallstochter um das Jahr 1875 geheiratet. Damals diente er in Eisenach, also vermutlich beim damaligen in Eisenach garnisonierten 94er Infanterieregiment. Weitere Versetzungen folgten. Als höherer Offizier musste er immer wieder mit seiner Familie den Wohnort wechseln. Für längere Zeit war Wilhelm Fischer in Prenzlau bei Berlin stationiert. Hier wurde wohl im Dezember 1881 der Sohn Friedrich, Fritz genannt, geboren. Ob das Ehepaar weiter Kinder hatte, ist bisher unbekannt.
Der Sohn Fritz folgte dem Vater in die Offizierslaufbahn. Dabei half dem Vater durchaus die Ehe mit der Freiin von Harstall. Zwar war die Preußische Hauptkadettenanstalt in Berlin-Groß-Lichterfelde, 1878 fertiggestellt, auch für bürgerlichen Offiziersnachwuchs offen, aber das „Hochwohlgeboren“ in der Anrede, welches der Vater mit der Heirat geerbt hatte, dürfte dem Sohn den Weg dort geebnet haben.
Mutter Caroline Friederike, geborene von Harstall, Foto aus dem Besitz Foto aus dem Besitz ihres Sohnes Friedrich Fischer, Sammlung Kuhlmann. - Großmutter Franziska von Harstall. Bei seinen Besuchen in Mihla standen für Fritz Fischer die Begegnung mit dieser in der Familie sehr geschätzten Frau ebenso im Mittelpunkt wie jene mit Onkel Georg.
Bereits mit acht Jahren mussten zukünftige Zöglinge angemeldet werden. Mit zehn Jahren begann dann die Ausbildung, deren Abschluss im Zivilbereich dem Abschluss eines Realgymnasiums gleichkam. Nach der Abschlussprüfung begann dann die militärische Laufbahn, denn die Zöglinge traten ihren Dienst nach einem kurzen Urlaub als neuernannter Leutnant in den aktiven Truppenteilen an.
Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde zur zentralen militärischen Eliteschmiede des Reichs entwickelte. Der Begriff „Lichterfelde“ wurde im militärischen Sprachgebrauch zum Synonym für Eliteausbildung. Die preußische Hauptkadettenanstalt galt als eine der besten Militärschulen weltweit.
In den Unterlagen von Frau Kuhlmann ist dieser Lebensabschnitt durch einen offiziellen Pass gut belegt, den der „Gefreite Fischer“ nach Abschluss der Lehrgänge vom Kompaniechef der 3. Ausbildungskompanie, einem Hauptmann Matthies, ausgestellt bekam. Mit diesem Pass erhielt der Absolvent Fischer die Möglichkeit, seinen Urlaub vom 4. Februar bis zum 6. März
1899 nach Mihla und nach Montjoie (Monschau) anzutreten. Die Militärbehörden wurden angewiesen, ihn in allen Fragen zu unterstützen.
Der frischgebackene Nochnichtleutnant besuchte also zunächst die Verwandtschaft im Mihlaer „Grauen Schloss“, ehe er dann über Aachen zu seinen Eltern aufbrach. Der Vater unterschrieb den Pass des Sohnes mit der Dienstgradbezeichnung „Oberstleutnant“ und dem Dienststempel des Truppenübungsplatzes Elsenborn. In diesem neuangelegten Platz an der belgischen Grenze war der Vater zu dieser Zeit in der Kommandantur tätig.
Der nächste Schritt in der Karriere des jungen Offiziers Fischer war mit dem erfolgreichen Abschluss der Hauptkadettenanstalt und sicher auch mit der Unterstützung des Vaters der Eintritt in die Eliteeinheit der „Goslaer Jäger“, in die Fritz Fischer gleich nach dem Urlaub im März 1899 als frischgebackener Leutnant seinen Dienst antrat.
Ab diesem Jahre sind in den Unterlagen von Frau Kuhlmann Briefe und Ansichtskarten enthalten, in denen junge Mann an seine Eltern schrieb.
Die Goslaer Jäger galten als eine Eliteeinheit der Kaiserlichen Armee. Ursprünglich eines der Jäger-Bataillone der Armee des Königreiches Hannover waren diese Einheiten wie die gesamte Hannoversche Armee nach der Schlacht bei Langensalza 1866 durch die Sieger, hier den preußischen König Wilhelm I., aufgelöst worden. Wenig später, noch 1866, wurden jedoch zwei neue Jägerbataillone der Preußischen Armee gegründet. Man hatte die Bedeutung dieser leichten Infanterie durchaus erkannt. Das 10. Jägerbataillon erhielt dabei durch Kabinettsorder die Erlaubnis, die Tradition der „Goslaer Jäger“ fortzusetzen.
Erster Garnisonsort wurde daher auch die Harzstadt Goslar, in der Friedrich Fischer als junger Leutnant Dienst tat. Aus dieser Zeit haben sich mehrere Ansichtskarten erhalten, die er seinen Eltern schrieb. Allerdings stammen diese Karten nicht aus der Harzstadt, sondern aus den elsässischen Orten Colmar und Bitsch. Dorthin war das 10. Jägerbataillon im Oktober 1890 verlegt worden, um in den Vogesen den Grenzschutz gegen Frankreich zu verstärken.
Die Eltern lebten in den Jahren bis zur Pensionierung des Vaters in Montjoie in der Eifel, einer Garnisonsstadt, in der Wilhelm Fischer, zuletzt als Oberstleutnant, im Dienst stand.
Montjoie an der Rur, unweit der belgischen Grenze, wurde im Jahre 1918 auf kaiserlichen Erlass hin in Monschau umbenannt.
Sehr häufig besuchte Leutnant Fischer in Mihla seine Verwandten, den Onkel Georg und die Tanten, soweit sie sich auch im Ort aufhielten. Von einem dieser Treffen ist eine Ansichtskarte an die Eltern im Kuhlmannschen Päckchen enthalten, die im Oktober 1899 abgestempelt wurde. Die Karte zeigt eine Ansicht des „Grauen Schlosses“.
Ein weiterer Garnisonsort wurde die ehemalige französische Festung Bitsch. Hier tat Fritz Fischer seinen Dienst, stieg in der Karriereleiter bald auf und wurde um 1909 zum Oberleutnant befördert.
Der Garnisonsdienst in Bitsch wurde für Fritz Fischer für einige Zeit unterbrochen, als er 1906 eine Kommandierung zum Eisenbahnregiment 2 nach Berlin-Schöneberg erhielt. Dadurch kehrte er für einige Monate in das bunte Leben der Reichshauptstadt zurück, welches ihm aus seiner Kadettenzeit sicher noch gut vertraut war. Die Schöneberger Zeit ist wiederum gut anhand einiger Ansichtskarten dokumentiert, die Berliner Bauwerke zeigen und nun adressiert sind an seine Mutter, die zu dieser
Zeit bereits in Eisenach, in der Emilienstraße 6, wohnte. Wann der Vater den Armeedienst verließ ist nicht bekannt, wenig später richteten sich dann die Briefe und Karten des Sohnes bereits an den Oberstleutnant Fischer am Hainweg 3 in Eisenach, wo er als Pensionär einzog.
Inzwischen hatte sich die berufliche Situation für Fritz Fischer erneut geändert. Offenbar hatte der junge Offizier, der in Berlin beim Eisenbahnregiment mit den damals modernsten Pioniertechniken in Berührung kam und daran ausgebildet wurde, so viel Können gezeigt, dass er seinen Vorgesetzten auffiel. Folgerichtig wurde er für einen Lehrgang an der Kriegsakademie vorgeschlagen. Auf Verfügung des Chefs des Generalstabes der Armee erhielt Oberleutnant Friedrich Fischer zum 1. Oktober 1907 die Einberufung zur Kriegsakademie nach Berlin. Der Lehrgang dauerte in der Regel drei Jahre. Ein erfolgreicher Abschluss bedeutete zumindest die weitere Verwendung als Stabsoffizier oder sogar den Dienstantritt im Generalstab der Armee.
Die Anforderungen, die nun auf Friedrich Fischer warteten, waren jedoch sehr hoch. Nur 30 Prozent der jeweiligen Lehrgangsteilnehmer schafften einen erfolgreichen Abschluss. Wie der Lehrgang für ihn ausging, konnte bisher nicht festgestellt werden. Erst mit dem Jahre 1912 ist weiterer Schriftverkehr an die Familie in den Unterlagen von Frau Kuhlmann erhalten.
Inzwischen war Fischers Stammeinheit, das 10. Jägerbataillon, wieder in seine eigentliche Heimat Goslar zurückgekehrt. Im Oktober 1909 hatte es eine neue Unterstellung der Einheiten unter die nun zuständigen Armeekorpse gegeben.
In Goslar wurden die Rückkehrer vom Kommandierenden General Emmich begrüßt und zum Empfang der Stadt geleitet. Bürgermeister Georg von Garßen hieß die heimkehrenden Jäger vor der Kaserne willkommen. Oberleutnant Fischer dokumentierte dieses Ereignis mit zwei Ansichtskarten, die den Empfang der Jäger am Goslaer Bahnhof und auf einer zweiten Karte die Honoratioren des Tages zeigte. Offensichtlich erhielt Fischer diese Karten von Bataillonskameraden als Erinnerung. Eine dieser Karten verschickte er am 20. Oktober 1909 von Berlin aus an die Eltern nach Eisenach. Damit dürfte nachgewiesen sein, dass er sich zu dieser Zeit noch bei der Kriegsakademie befand.
Da er seinen weiteren beruflichen Weg nicht im Preußischen Generalstab fortsetzte, sondern nachweislich 1912 wieder in Goslar Dienst tat, ist zu schließen, dass er nun dort als Stabsoffizier geführt wurde. Der weitere Entwicklungsweg bekräftigt diese Vermutung.
In den Unterlagen von Frau Kuhlmann finden sich nun zwei Schießscheiben mit einer hervorragenden Trefferbilanz. Sie waren wohl für Oberleutnant Fischer wichtig. Die runden Karten, die einen Bär und einen Hirsch zeigen, stammen vom Regimentsschießen im März 1912. Oberleutnant Fischer erreichte hier auf eine 200 Meter-Distanz einmal liegend und einmal stehend ein ausgezeichnetes Ergebnis.
Dann brach der Weltkrieg aus.
Unmittelbar in den ersten Kriegstagen wurde in Goslar das 10. Reservejägerbataillon aus aktiven Offizieren, rasch einberufenen Reserveoffizieren und einer Stammmannschaft der 10. Jäger unter dem Kommando des langjährigen Chefs der 1. Kompanie des Bataillons, Kramer-Möllenberg, aufgestellt. In einer Kriegsstärke von 1065 Mann, darunter 23 Offiziere, rückt es Anfang August 1914 im Rahmen der 2. Armee ins Feld. Darunter auch Oberleutnant Friedrich Fischer als einer der Kompaniechefs.
Die 10. Jäger- und auch die Reserveeinheit machten während des Krieges so ziemlich alles mit, was an Kämpfen möglich ist. Nur einige Schlachten des Krieges, an denen sie beteiligt sind:
1914 bis 1916 bei St. Quentin, an der Marne und bei Verdun an der Westfront, dann Einsatz auf dem Balkan gegen Rumänien, Schlacht am Argesch, an der Italienfront in den Alpen, dort Kämpfe in der 12. Isonzoschlacht und an der Piave, um dann, personell mehrfach beinahe vollständig vernichtet, im Frühjahr 1918 an die Westfront zurückzukehren. Im Rahmen der letzten deutschen Offensive „Michael“ wird das Bataillon erneut schwer in Mitleidenschaft gezogen, ehe es dann im September 1918 in den Vernichtungsstrudel der britischen Angriffe gegen die „Hindenburglinie“ gerät.
Aus diesen Jahren hat sich kaum Post in den Unterlagen von Frau Kuhlmann erhalten. Fischer schieb nur wenig oder die Feldpostbriefe haben sich nicht erhalten. Erst mit dem Sommer 1918 wird die Post an die Eltern nach Eisenach wieder umfangreicher.
Schießergebnisse des Regimentsschießens 200 Meter liegend und 200 Meter stehend des Oberleutnants Fischer, 20.4.1912, Sammlung Kuhlmann.
Wir wissen daher wenig über das direkte Erleben Fischers in jenen Jahren. Was sich aber abzeichnet, sind die aufgrund der gut bearbeiteten Quellen vorliegenden Ereignisse um das Bataillon.
Fischer war spätestens 1916 zum Hauptmann befördert. Nach dem Tode seines Vorgängers Hauptmann Schäfer erhielt er am 30. Juli 1917 das Kommando über das 10. Reservejägerbataillon.
Die schwierige Lage auf dem Balkan zwang das deutsche Oberkommando, den Bitten der österreichischen Armeeführung nachzugeben, Verstärkungen aus dem Westen und der Alpenfront an die rumänische Front zu werfen. Darunter befanden sich auch die beiden Bataillone der Goslaer Jäger im Bestand des Alpenkorps.
In der „Durchbruchsschlacht an der Susita überquerte das Alpenkorps am 12. August 1917 den Fluss Putna Richtung Straoane. Unter der Führung des Hauptmanns Fischer griff die Gruppe der beiden 10. Jäger-Bataillone am 15. August Muncelul an. Mit der Einnahme Munceluls endete am 28. August die Schlacht. Nun folgten Stellungskämpfen an der Zabrautioru.
Oberleutnant Fischer, Foto 1913, Sammlung Kuhlmann.
Hauptmann Fischer wurde im Heeresbericht genannt. Sein „schneidig vorgetragener Angriff“ entschied das Gefecht. Dafür erhielt der Offizier den Hohenzollerischen Hausorden. Verliehen, im Soldatenjargon der Pour-le-Merite-Orden des kleinen Mannes genannt. Er war der dritte Träger dieses Ordens in den Bataillonen.
Das komplizierte Auszeichnungssystem des Königreichs Preußen und des Deutschen Kaiserreichs, das keine Orden hatte, sah vor, dass kein Soldat für eine Leistung zweimal dieselbe Auszeichnung erhalten konnte. Ein Offizier, der bereits das Eiserne Kreuz 1. Klasse besaß, bekam für eine wiederholte außergewöhnliche Leistung diesen Orden. Er war somit quasi eine Zwischenstufe zum Militärverdienstorden Pour le Merite. Hauptmann Fischer war damit Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse sowie Ritterkreuzträger des Hohenzollerschen Hausordens.
Der Hohenzollersche Hausorden, Ritterkreuz, 1917 an Hauptmann Fischer verliehen.
Diese Kämpfe sind mit Sicherheit nicht spurlos an dem Hauptmann vorbeigegangen. Nicht nur dass seine Einheit mehrfach beinahe vollständig vernichtet wurde, dazu zählten auch die Offiziere, auch Fischer wurde mindestens einmal verwundet. In der Kartenmappe, unserer Quellengrundlage, findet sich eine Ansichtskarte, die den verwundeten Offizier mit Kameraden und Krankenschwestern im Lazarett zeigt. Leider ist kein Datum enthalten.
Zum 30. Juli wurde man nach Tourcoing zur Eingreifdivision verlegt. Nach dem Schwarzen Tag des deutschen Heeres wurde das Korps zuerst als OHL-Reserve in den Raum um Nesle gezogen. Am 26. August wurde die Somme nach Osten überquert. Das Korps wurde am 1. September mittels Lastkraftwagen nach Norden, wo es vorerst als Reserve der 2. Armee dienen sollte, befördert.
Hauptmann Friedrich Fischer, umgeben von Krankenschwestern, als Ansichtskarte in den Unterlagen von Frau Kuhlmann, undatiert.
Am 8. August 1918, dem „schwarzen Tag des deutschen Heeres“, durchbrachen die Alliierten die deutsche Front und nun begann der Rückzug, der sich mit jedem Tag zu einer größeren Katastrophe ausweitete.
Das Korps wurde nun als OHL-Reserve in den Raum um Nesle im Bereich der neugebildeten „Heeresgruppe v. Boehn“ aufgestellt.
Am 26. August wurde die Somme nach Osten überquert. Das Korps wurde am 1. September mittels Lastkraftwagen nach Norden, wo es vorerst als Reserve der 2. Armee dienen sollte, befördert.
Das Reservejägerbataillon 10 bezog nun vor der Siegfriedlinie, der letzten deutschen Befestigungslinie in Frankreich, den Kanal bei Moislains, den es unbedingt zu sichern hatte. Am 5. September wurde es nach Epehy zurückverlegt. Diese Stellung galt es zu halten, da, wenn Epehy verloren ginge, der Feind bis in den Schelde-Kanal einerseits und auf die östlichen Höhen andererseits sähe und die dortigen Stellungen unter Feuer nehmen konnte. Dies würde bedeuten, dass es kein Halten mehr gäbe.
Am 18. September 1918 griffen die Briten diese Stellungen mit Tankunterstützung an. Die Kompanien des 10. Jägerbataillons leisteten verzweifelten Widerstand, aber gegen die Übermacht der Briten und vor allem gegen die neue Waffe, den Tanks, hatte man keine Chance. Gegen 14.00 Uhr erhielt der Bataillonskommandeur Hauptmann Fischer einen Brustschuss, als er; so der Bericht seines Adjutanten an die Eltern, in vorderster Linie kommandierte. Er war sofort tot.
An diesem 18. September fiel die Stellung von Epehy. Das Bataillon erlitt einen Verlust von 3½ Kompanien und galt damit nach diesem Tage als vernichtet. Die wenigen Überlebenden wurden dem Mecklenburger 14ten Regiment unterstellt.
Der einzig überlebende kommandierende Offizier, Kompaniechef Hauptmann Kirchheim, wurde für die Verteidigung bis zum Fall an diesem Tage mit der Verleihung des Pour le Merite ausgezeichnet.
Schon wenig später war die Nachricht vom Tode des Hauptmanns Fischer in Eisenach und Mihla angelangt. Zwar musste man in den Häusern in Eisenach und Mihla mit dem Tode des aktiven Offiziers rechnen, als er nun doch eingetreten war, führte das in den beiden Familien zu großer Bestürzung. Vor allem, als sich bald herausstellte, dass es wirklich ein tragischer Tod kurz vor Ende des Krieges war. Am 11.11.1918 schwiegen die Waffen, bereits zwei Tage zuvor war Kaiser Wilhelm ins neutrale Holland geflüchtet.
Am 20. September 1918 schrieb ein Leutnant Franz Bernen, einer der wenigen noch lebenden Offiziere der 10. Jäger und seines Zeichens Bataillonsadjutant und damit ein enger Kampfgefährte von Friedrich Fischer einen Brief an die Eltern.
Darin überbrachte er die offizielle Nachricht, dass der Sohn des Oberstleutnants Wilhelm Fischer den „…Heldentod für Kaiser und Vaterland…“ gestorben sei. Gleichzeitig schilderte er die Umstände des Todes.
In vorderster Linie kämpfend, wie immer ein „… Beispiel für Tapferkeit und Pflichttreue…“ habe ihn gegen 14.00 Uhr an jenem 18. September eine feindliche Kugel in die Brust getroffen. Sicher zur Beruhigung der Eltern ergänzte er, dass der Tod sofort eingetreten sei, der Kamerad also nicht mehr leiden musste. Er sprach die tiefe Trauer des gesamten Offizierskorps aus.
Weiter teilte er mit, dass die Beisetzung bereits am darauffolgenden Tag, den 19. September, ungefähr15 Kilometer von der Front entfernt auf dem Ehrenfriedhof von Selvigny erfolgt sei.
In einem weiteren Brief kündigte er Fotos von der Grablege und eine Skizze für die Auffindbarkeit des Grabfeldes an. Leider sind diese Unterlagen nicht erhalten.
Wenig später trafen weitere Briefe von Kameraden bei der Familie des Oberstleutnants Fischer in Eisenach ein, die das Beileid aussprachen. Etliche dieser Briefe sind im Bestand von Frau Kuhlmanns Unterlagen enthalten.
Leider reißen hiermit die Spuren über die Familie Fischer aus Eisenach weitgehend ab. Wir wissen (noch) nicht, wann Oberstleutnant Fischer verstorben ist, auf jeden Fall vor seiner Frau, die im Jahre 1928 das Zentralnachweisamt für Kriegsverluste und Kriegsgräber in Berlin anschrieb, um Auskunft über die auf dem Soldatenfriedhof von Selvigy nicht mehr auffindbare Grablege ihres Sohnes ersuchte. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits verstorben.
Frau „Obristleutnant Fischer“ erhielt im September 1928 Auskunft.
Der deutsche Soldatenfriedhof Selvigny wurde im April 1917 von der deutschen Truppe angelegt, um die in den Lazaretten verstorbenen Verwundeten aufzunehmen.
Der Ort war mit Abschluss der Somme-Schlacht Ende November 1916 und der Rückzugsbewegung der deutschen Truppe auf die „Siegfried-Stellung" im Februar/März 1917 wichtiger Etappen- und Lazarettplatz geworden. Ein Großteil der hier Beigesetzten waren Opfer der sogenannten „Tankschlacht von Cambrai" im November 1917 sowie des deutschen Gegenangriffs im Dezember geworden.
Die deutsche Offensive im März 1918 und die Rückzugskämpfe von Ende August bis Oktober 1918 führten erneut zu hohen Verlusten. Die letzten Beisetzungen durch die eigene Truppe erfolgten in der Zeit zwischen dem 30. 9. und 5. 10. 1918.
Zurück zu jenem Auskunftsersuchen der Witwe Fischer an das Zentralnachweisamt für Kriegsverluste.
Im Antwortschreiben vom 17. September 1928 erhielt Frau Fischer die erhoffte Auskunft. Zunächst wurde der Tod ihres Sohnes entsprechend den Unterlagen des Amtes für den 18. September 1918 bestätigt. Dann musste mitgeteilt werden, dass der Name des Hauptmanns nicht auf den französischen Gräberlisten enthalten sei.
Das Amt begründete dies damit, dass von der französischen Seite mehrere Umbettungen und Erweiterungen durch neue deutsche Soldatengräber erfolgt seien. So wären aus 31 umliegenden Gemeinden bis in eine Entfernung von 45 Kilometern deutsche Einzelgräber dazu gebettet worden.
Bei diesen Arbeiten habe sich das Grab des Hauptmanns Fischer nicht feststellen lassen. Man habe keine Erkennungsmarke noch persönliche Gegenstände gefunden.
Daher haben nach Auskunft der französischen Stelle alle nicht namentlich feststellbaren deutschen Soldaten ihre letzte Ruhestätte in einem „Sammelgrab“ gefunden.
Bei dieser Mitteilung blieb es dann. Ob sie die Mutter in irgendeiner Weise zufriedengestellt haben wird, bleibt anzuzweifeln.
Georg Ludwig Ernst von Harstall mit seiner Ehefrau Luise. Beide hingen sehr an dem Neffen und trauerten lange um ihn.
Wenig später muss dann Caroline (Lina) Friderike Fischer, geborene von Harstall, verstorben sein. Ihr Bruder Georg folgte ihr am Ende des nächsten Krieges, im Februar 1945, ins Grab.
Was blieb, ist eine typisch deutsche Familiengeschichte. Sicher gab es viele ähnliche und für die Familien weitaus schrecklichere Geschehnisse in diesen Jahren, aber erzählt und vielleicht auch nicht ganz vergessen werden sollte sie trotzdem.
Rainer Lämmerhirt
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