Vom Ihlefeld, der Betteleiche und Steinkreuzen

-Eine Reise in die Heimatgeschichte -

Rainer Lämmerhirt

Im Verlauf des 11.Jahrhunderts ermöglichten verbesserte Werkzeuge das Vordringen unserer Vorfahren auch in die bisher nicht erschlossenen Mittelgebirgslandschaften. Zudem verlangten eine extensive Landwirtschaft und eine rasche Zunahme der Bevölkerung nach immer neuen Anbauflächen. Selbst die kargen Muschelkalkböden des Hainichs wurden damals besiedelt. Eilfelden, das spätere Ihlefeld, und die Kleinsiedlung Lützefeld (nur wenige hundert Meter vom Ihlefeld in Richtung Mülverstedt entfernt) entstanden. Begünstigend wirkte sich die Lage dieser Siedlungen an der Passstraße über den Hainich, der Hohen Straße, aus. Von Bischofroda und Lauterbach herkommend, querte diese beim Ihlefeld

(440 m.ü.NN) den Hainichkamm, um weiter in Richtung Langensalza zu verlaufen. Eine Querverbindung öffnete über die "Antoniusherberge" den Weg nach Mühlhausen und Nazza. Überlieferungen berichten, dass sich Angehörige der im 11. Jahrhundert in Frankreich entstandenen Hospitalbrüderschaft des Heiligen Antonius im Auftrage des damaligen Landesherren, des Erzbischofs von Mainz, an dieser Passstraße angesiedelt hätten. Sie errichteten eine Herberge und kümmerten sich in einer Kapelle um die Seelsorge der Reisenden. Aus dieser Herberge entwickelte sich die bereits genannte Antoniusherberge, die Kapelle wird im Bereich der Siedlung Ihlefeld (Flurname Kirchberg) vermutet. Unweit der Herberge entstand mit dem Cammerbühl das spätere Reckenbühl, heute eine Ausflugsgaststätte, einst ein Wirtschaftshof, der in späteren Zeiten auch als Forsthaus genutzt wurde. Diese unsicheren Ursprünge des Ihlefeldes wurden genauer fassbar, nachdem das Mainzer Erzstift in der Mitte des 14.Jahrhunderts durch die Wettiner Landgrafen verdrängt wurde. Diese übernahmen auch die Ansiedlungen im Hainich und übertrugen sie 1346 als Lehen an die Herren von Seebach. Das Ihlefeld wurde dabei als "Klauß", also Klause, und als "wüst" bezeichnet. Schon bald wieder gangbar gemacht erhielten die Mönche des Eisenacher Katharinenklosters die Klausur Ihlefeld. Von nun an "Katharinen-Ihlefeld" genannt wurde die Kapelle in einer Zeit zunehmender Volksfrömmigkeit bald zu einem wichtigen Wallfahrtsort der Region. An diese Zeit erinnern die Flurnamen Mönchsfeld, Mönchsbrunnen, Siechenholz, Kirchberg und Walpertal (Wallfahrtstal).Vielleicht geht die bis zum Untergang der Siedlung 1964 durchgeführten Wanderungen der Menschen aus den umliegenden Dörfern zum Ihlefeld noch an diese Zeit? Die Reformation beendete nach 1521 diese Bedeutung der Hainichsiedlung. Das Ihlefeld und alle anderen Besitztümer des Eisenacher Klosters wurden säkularisiert und kamen über Belehnungen nun an die in Mülverstedt und auf der Haineck bei Nazza sitzenden Herren von Hopffgarten.  Überdauert haben aus dieser alten Zeit neben Flurnamen und Sagen auch einige Flurdenkmale. Die Betteleiche ist heute das Symbol des Hainichs. Der Sage nach baten die Mönche des Ihlefeldes die Benutzer der Passstraße um milde Gaben, die in einer Baumhöhlung an dieser Eiche direkt am Eingang zur Klausur niedergelegt wurden. Aus dieser Höhlung habe sich später die so charakteristische Zweiteilung der Eiche ergeben. Zwei Sühnekreuze erinnern an die frühere Bedeutung der Hohen Straße. Das Ihlefelder Kreuz befindet sich nahe der Betteleiche am heutigen Weg nach Mülverstedt. Es zeigt einen tödlichen Jagdunfall mit einem Bären. Auf der Vorderseite des Steinkreuzes erkennt man einen Jäger, ausgerüstet mit einem Jagdspieß, der von einem auf den Hinterpfoten stehenden Bären angesprungen und niedergeworfen wird. Das Mülverstedter Kreuz, durch Heimatfreunde 1996 wieder am alten Standort "Steiger" an der Hohen Straße 500 Meter westlich des Ihlefeldes aufgestellt, entstand als Sühnekreuz im 15.Jahrhundert. Der eigentliche Anlass der Aufstellung ist unbekannt, sicher handelt es sich um einen Todesfall an dieser Stelle, entweder durch Unfall oder durch Mord, bei dem der Betroffene keine Möglichkeit hatte, für sein Seelenheil zu beten. Das sollen nun die Passanten der Straße für ihn tun (Störzner, F., Steinkreuze in Thüringen, Katalog, Nr. 125f.).

An einer Wegekreuzung am Ihlefeld befand sich im späten Mittelalter der markante Wegwei-ser ?Eiserne Hand?. Er wurde bereits im Jahre 1554 in einem Langensalzaer Amtsbuch als Geländemarkierung erwähnt. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Nachbildung, das Original kann vor dem Schloss in Mülverstedt bewundert werden. Die Antoniusherberge blieb als solche noch lange Zeit erhalten, geriet aber im 16. Jahrhundert wegen Räuberei in Verruf und soll nach einer Hainichlegende 1568 durch die aufgebrachten Bewohner der Nachbardörfer Nazza und Mihla zerstört worden sein. Der räuberische Wirt Paul Vischering fand danach sein Ende am "Galgenhuber", unweit der heute noch als Rastplatz bekannten Stätte der Herberge. Urkundliche Belege für diese Vorgänge sind nicht bekannt.

Nach der Reformation nutzten die Herren von Hopffgarten das Ihlefeld als Vorwerk und betrieben dort Forsthäuser. Im 18.Jahrhundert teilte sich die Familie in drei Linien, die alle Besitz auf dem Ihlefeld erhielten. Nach einem Großbrand durch Blitzschlag am 30. April 1826 musste das gesamte Anwesen neu errichtet werden. Bekannt wurde der Baron Georg Maximilian von Hopffgarten (1825-1904), der sich als Naturkundeforscher einen Namen machte und in der Region nur der "Käferbaron" genannt wurde. Die Bodenreform 1945 führte schließlich zur Enteignung. In den Gebäuden wurden Umsiedler und Flüchtlinge einquartiert, zeitweise wurde auch eine Schule betrieben und zuletzt gab es ein Kinderferienlager. Durch die Ausbaupläne der Nationalen Volksarmee für den Schießplatz Weberstedt mussten die Gebäude 1964 geräumt werden. Der Gebäudebestand der Siedlung Ihlefeld und des Reckenbühls wurden bald danach eingeebnet. Nach der Öffnung des Truppenübungsplatzes wurde das Ihlefeld, welches nun zur Gemeinde Mülverstedt gehört, rasch wieder zugänglich und heute erinnert eine Wanderhütte und eine mobile Imbissversorgung an die einstige Gastlichkeit des Platzes. Die Betteleiche, das Ihlefeld, die Ausfluggaststätte Reckenbühl, aber auch die Steindenkmale zählen mit ihrer eindrucksvollen Geschichte zu den touristischen Höhepunkten im Weltnaturerbe Hainich.

   

Noch berichten alte Fotos vom Aussehen des Ihlefeldes, daran erinnern können sich nur die Älteren. Luftaufnahme aus dem Jahre 1937 und der Eingangsbereich des Forsthauses der Herren von Hopffgarten.

 

Mihla, 28.08.2013