Was wissen wir über die Familie von Harstall in Mihla?- Versuch einer Annäherung auf Grundlage neuerer Forschungsergebnisse-Teil 1: Vom Herrschaftsantritt 1436 in Mihla bis zum Neubau des Grauen Schlosses 1536   In mehreren Beiträgen soll versucht werden, neueste Erkenntnisse über die Geschichte der Familie von Harstall, soweit sie Mihla betrifft, darzustellen. Gerade in den letzten Jahren ist hierzu viel erforscht worden. Neben Herrn Raymund Falk, der eine Familiengeschichte der Diedorfer Linie vorgelegt hat, und Herrn Runzenheimer, der sich mit den Treffurter Harstalls beschäftigte, sind vor allem bisher wenig beachtete Dokumente, so einige Leichenpredigten des 16. und 17. Jahrhunderts, ausgewertet worden. Sie haben sehr geholfen, auch die Geschichte der Mihlaer Familie von Harstall genauer und vollständiger zu erfassen. So bietet sich nun ein Bild einer ritterlichen Familie, die durch ihre Ämter und letztlich durch ihre Wirkungen für den Ort und die Region bedeutsam war. Sollten wir überhaupt etwas über diese Familie wissen? Den Jüngeren ist sie sicher unbekannt. Die Älteren erinnern sich noch an den letzten Harstall im Grauen Schloß, Georg Ludwig Ernst, von den Mihlaern meist Georg genannt, oder an dessen Schwiegersöhne von Gudenberg und Große- Brauckmann. Oder, vielleicht aus Begegnungen der jüngeren Zeit, auch schon die nächste Generation, die Familie Kuhlmann. Viel ist es aber insgesamt nicht. Mit dem Tod von Georg Ludwig Ernst im Februar 1945 starben die Mihlaer Harstalls aus. Ihre Spuren im Ort sind "verweht", so denkt man. Aber doch, mit offenen Augen stößt man immer wieder auf sie und dann stellt sich die Frage, was wissen wir tatsächlich über diese Familie. Welche Spuren findet man in Mihla? Zunächst die Schlösser. Das Graue Schloß zählt zu den für die Mihlaer wohl unverzichtbaren Einrichtungen. Es gehört heute richtig zum Dorf. Das war nicht immer so. Früher trennte ein großer steinerner Rundbogen den Schloßbereich von der übrigen Siedlung ab. Die Harstalls, die seit dem Jahre 1436 im Grauen Schloß saßen, wollten unter sich sein. Waren sie doch eine Ritterfamilie, die sich später mit dem Freiherrentitel schmücken konnte, stellten sie im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder Offiziere, Amtmänner, Vögte und Richter, heirateten in ebensolche "blaublütigen" Familien ein. Letztlich unterschied sie der zeitweise Reichtum von den Bauern im Dorf, ohne deren Arbeit und Abgaben sie allerdings noch mehr finanzielle Schwierigkeiten bekommen hätten. Diese waren sowieso schon genug, eigentlich war die Familie immer am Rande der Mittellosigkeit, nur selten konnte dies durchbrochen werden. Das Graue Schloß zeigt auch heute wieder viele Erinnerungen an die Harstalls. Der Eigentümer hat das alte Wappen rekonstruieren lassen, im "Ahnensaal" hängen Kopien von Familienporträts. Dürftiger sind die Erinnerungen im Roten Schloß. 1581 im Auftrage der Harstalls erbaut, war an diesem Rittersitz wenig Glück für die Familie behaftet. Schon kurz nach der Erbauung ereignete sich ein Mordfall im Roten Schloß, ein Brudermord, der uns heute noch immer in der Sagenwelt der Region begegnet. Eine Folge war das Aussterben der alten Mihlaer Linie. Erbschaftsstreitigkeiten und schließlich die Übernahme des Roten Schlosses durch die katholische Linie aus Diedorf erbrachten eine kurze Blüte im 17. Jahrhundert, aber dann kam bereits der 30jährige Krieg. Danach saßen meist Pächter im Schloß, 1895 machte der letzte Harstall, Karl, dort wirtschaftlichen Bankrott und über den Jenaer Nervenarzt und Professor Binswanger, der bis 1918 das Schloß im Eigentum hatte, kamen die Gebäude und das zugehörige Gut in die Hände mehrfach wechselnder Besitzer, die sich meist als "Güterschlächter" bedienten und nach und nach alles verkauften. Neben dem Ackerland und den Wäldern unter anderen auch 1924 die Brauerei "Rotes Schloß", die an die Eisenacher Aktienbrauerei ging. In den 30er Jahren wurde dann der Staat Eigentümer, der das Gebäude letztlich bis heute vorhält. An die Harstalls erinnern im Roten Schloß höchstens noch die großen herrschaftlichen Dielen. Früher vorhandene Stuckdecken mit Wappendarstellungen der Familie sind ebenso verschwunden wie ein großer Porträtkopf des Erbauers, Hans David von Harstall, der einst über dem Portal zu sehen war. Die unsicheren Jahre nach dem Krieg und die Nutzung als Altenheim, verbunden mit notwendigen Umbauten, haben diese Spuren beseitigt. Die Mihlaer Kirche. In bzw. um sie sind die Spuren der Familie noch am deutlichsten sichtbar. Immerhin hatten die Harstalls das Patronatsrecht über die Kirche, wurden sie, zuerst um den Altar, dann in einer Gruft, zuletzt in einem Erbbegräbnis am Turm, dort beigesetzt.Daher sind Grabplatten endlich auch als bildhafte Zeugnisse der Familie erhalten. In der Kirche stoßen wir auf die eindrucksvolle Darstellung des Ernst Christoph von Harstall, in voller Rüstung und in den besten Jahren dargestellt. Eine wichtige Persönlichkeit, denn mit seinem Tode im Jahre 1610 war die ältere Mihlaer Linie im männlichen Stamm erloschen.Dort, wo sich früher das Erbbegräbnis der Familie (bis 1848) befand, am Turm, gegenüber dem Treppenaufgang vom Pfarrberg her, stoßen wir auf drei weitere Grabplatten. An der Turmwand ist eine Frau von Schaf zu erkennen, in den letzten Jahren hat die Grabplatte stark unter den Witterungseinflüssen gelitten. Sie war wohl eine geborene von Harstall und hatte sich gut verheiratet. Auf der Erde, halb unter dem Fundament der Kirche, erkennen wir einen weiteren Vertreter der Familie: Wahrscheinlich handelt es sich um Otto Erich von Harstall, um 1580 verstorben, einen Vertreter der älteren Linie. Und schließlich verweist eine Inschriftentafel an der Kirchwand auf einen weiteren Vertreter der Familie im 18. Jahrhundert, der an dieser Stelle das Erbbegräbnis hat anlegen lassen. Früher konnte man im Altarraum der Kirche noch Inschriften und Jahreszahlen erkennen, die auf Bestattungen von Angehörigen der Familie berichteten. Auch weis man, daß beim Bau der Heizungsanlage in den 30er Jahren die Reste der Gruft aufgedeckt und dann wieder verschlossen wurden. Noch zu sehen sind dagegen die Herrschaftslogen der verschiedenen Familienlinien in der Kirche. Dort findet man neben dem farbigen Harstallswappen auch die Wappendarstellungen anderer Familien, in die Harstalls einheirateten. Jahreszahlen vermelden, daß die Ausmalung der Stände nach Abschluß des Neubaus der Kirche, also in den Jahren nach 1712, erfolgte. Nicht vergessen werden soll der schön gearbeitete klassizistische Grabstein des Fräuleins Luise von Harstall am Westeingang der Mihlaer Kirche gelegen. Bei der Sanierung des Steines vor einigen Jahren stieß man auf die kleine darunter liegende Gruft mit den sterblichen Überresten der Verstorbenen. Geht man durch das Dorf, dann kann man zumindest am Anger oder auf dem Propel erahnen, daß auch hier die Familie von Harstall bedeutsam war und Herrschaft ausübte. All dies hat neugierig gemacht, sich etwas näher mit den Mihlaer Vertretern der Familie zu beschäftigen. Dies wollen wir nun tun. Letztlich kann die Familie in folgende Hauptzweige eingeteilt werden: - Alte Linie (seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bis 1436, ansässig im Dorf Harstall, in Creuzburg, Treffurt und Diedorf) - Ältere Mihlaer Linie (seit 1436 im Grauen Schloß, eigentlich die Wasserburg der "Herren von Mihla", und seit 1581 auch im Roten Schloß, 1610 in der männlichen Linie ausgestorben). - Diedorfer bzw. Treffurter Linie (ansässig in Diedorf, Treffurt und Berteroda, nach 1617 im Mihlaer Roten Schloß, 1865 ausgestorben) - Jüngere Mihlaer Linie (über Creuzburg seit 1617 in den beiden Schlössern, Blaues und Graues Schloß, in Mihla, 1945 in der Mihlaer männlichen Hauptlinie ausgestorben).  Für Mihla wurde die Ältere Linie wichtig. Der Leitname dieser Linie wird uns mit Hans überliefert. Ein Hans von Harstall gehörte zu den "Brüdern und Vettern", die im Jahre 1436 den Besitz Mihla mit der zugehörigen Burganlage und den Rechten und Verpflichtungen käuflich von der Familie derer von Wangenheim erwarben. Wahrscheinlich kehrten damit die Harstalls an die Wurzel ihrer Familie zurück, lag doch die 1436 wohl bereits wüste namensgebende Siedlung Harstall nur gut drei Kilometer von Mihla entfernt am Rande des Hainichs. Hans von Harstall, der Stammvater der älteren Mihlaer Linie, bezog dann auch die Wasserburg, die einst von den Herren von Mihla erbaut worden war, das heutige Graue Schloß.Er taucht in verschiedenen Urkunden mehrfach in den Jahren zwischen 1436 und 1495 auf und scheint, entsprechend der beurkundeten Geschäfte, im Rang und Ansehen nicht unbedeutend gewesen zu sein. 1465 wird er in einer Schlichtungsurkunde des Klosters Reinhardsbrunn als Schiedsrichter genannt, 1466 meldet er urkundlich ein Leibgedinge für seine Ehefrau Anna, von der wir weiter nichts wissen, an. In den Lehnbriefen, die die Familie 1452 für Mihla, 1463 von Fulda für Münsterkirchen und 1483 für die gesamte Herrschaft erhielten, wird er immer gleichberechtigt mit den weiteren erbberechtigten Brüdern und Gevattern genannt.1485 wird Hans von Harstall in der Erbteilungsurkunde zwischen Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zum weimarischen Teil des Hauses zugehörig genannt. In diesen Jahren entstand für die Mihlaer Kirche der bekannte Schnitzalter. Sicher ist er als Stiftung derjenigen Familie aufzufassen, die damals die Kirchenrechte ausübte. Somit dürfte Hans von Harstall jenes Familienmitglied sein, welches die Anfertigung des Altars in einer Erfurter Werkstatt veranlaßte. Offenbar sind die Harstalls in Mihla eine wohlhabende Familie mit Einfluß und Ansehen. Letztmalig taucht der "...alte Hans von Harstall...." gemeinsam mit seinen Söhnen Hans und Ernst in einem Beschwerdebrief auf, den der Adel an den Herzog wegen der "Willkür" der Amtsleute aufsetzte und unterzeichnete. Kurz darauf muß er verstorben sein denn schon 1497 wird sein Sohn Ernst von der kurfürstlichen Kanzlei aufgefordert, ausstehende Steuerzahlungen zu begleichen. Offenbar ist Ernst der Nachfolger im Mihlaer Lehen der Familie. Ernst Bruder Hans, offenbar der ältere der Brüder, scheint schon sehr früh verstorben zu sein. Nach 1495 sind bisher keine weiteren urkundlichen Nachrichten bekannt. Ernst von Harstall dagegen setzt die Politik seines Vaters eindrucksvoll fort. Im Juli 1498 wendet er sich gemeinsam mit weiteren thüringischen Adligen an die Räte des Kurfürsten mit einem Verzeichnis der "Gebrechen", die dem Adel durch die Landtagsbeschlüsse von Altenburg im Jahre 1495 entstanden sind. Es wird eine Prüfung angemahnt und hinzugefügt, Abhilfe zu schaffen. Auch später wird Ernst von Harstall als Mitglied des Landtagsausschusses genannt, zu 1507, 1511, 1522 und 1523. Immer vertritt dabei Ernst von Harstall Positionen des Landadels gegen die übermächtigen Ansprüche der Regierung, wendet sich gegen neue Steuern und andere Forderungen der Regierung, die immer häufiger versucht, die Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit des Adels zu beseitigen. Dieser Kampf der kleinen Ritter ist letztlich aussichtslos. Die beginnende Reformation und der Bauernkrieg, der im Frühjahr 1525 auch Mihla erreicht, verändern die Machtkonstellation schließlich völlig. Ernst von Harstall scheint sehr früh zum neuen Glauben übergegangen zu sein. Schon 1523 soll der damalige Mihlaer Pfarrer Richardt zum neuen glauben übergetreten sein. Sicherlich versprach man sich davon Vorteile. Diese traten zum Teil auch ein, fielen doch einige Rechte und vor allem Einkünfte der reich begüterten katholischen Kirche an die adligen Familien. So kam das Braurecht der Mihlaer Kirche an Ernst von Harstall, weitere Einkünfte fielen ihm anheim. Interessant ist dabei, daß sein Sohn Christoph als Vorsitzender einer landesfürstlichen Kommission zur Säkularisierung von Kirchengütern auftrat. 1509 war Ernst von Harstall von Fulda mit dem Ort Münsterkirchen und der dortigen Kapelle belehnt worden, 1513 folgten in diesem Lehen die Agnaten der Familie. 1522/23 kommt es zu einem Rechtsstreit mit dem Amtsschosser Emerich Tyll von Gerstungen, der erst ein Jahr später beigelegt werden kann.  Ernst von Harstall war mit Catharina von Schlotheim verheiratet. Aus der Ehe gingen mehrere Kinder hervor. Zunächst erfahren wir von einem Hans, der Tradition nach sicher der älteste Sohn, der allerdings 1524 im Gefängnis von Venedig vermeldet wird. Der Vater hatte bei der Familie von Goldacker für eine beglichene Schuld einzustehen, die ein Ritter von Goldacker für jenen Hans von Harstall beim Hofe Kaiser Maximilian I. vorgestreckt habe. Ein interessanter Hinweis, der vermuten läßt, daß Hans von Harstall eventuell als Offizier in die Kämpfe jener Jahre in Oberitalien verwickelt war, eine durchaus übliche Karriere für junge Adelssöhne. Da nach jenem Jahr urkundliche Berichte schweigen, ist wohl davon auszugehen, daß Hans von Harstall schon bald den Tod gefunden hat. Zweiter Sohn des Ernst von Harstall war Georg, von 1523 bis zu seinem Tode 1575 häufig urkundlich genannt, ein bedeutender Mann, Amtmann auf Creuzburg, militärischer Befehlshaber und Rat beim Landesfürsten. Dritter Sohn dürfte Christoph von Harstall gewesen sein, seit 1522 ständig genannt, um 1585 verstorben. Auch die Namen zweier Mädchen sind bekannt, Anna, die in die Familie von Wangenheim einheiratete, und Maria Christina, die einen Hans von Seebach heiratete. Eine dritte Tochter wird vermutet. Die Ausnutzung der Wirren der Reformation und der Säkularisierung von Kirchengütern sowie die Strafgeldzahlungen der Bauern, hierüber gibt es genaue Aufzeichnungen, nach denen die Mihlaer Bauern erhebliche Summen begleichen mußten, führten sicher dazu, daß Ernst von Harstall den Umbau der alten Mihlaer Wasserburg zum "modernen", dem Renaissancegeist entsprechenden Wohnschloß, durchführen konnte. Diese Baumaßnahmen sind für das Jahr 1536 gemeldet. Zwei Jahre zuvor, 1534, war er in einer erneuten Lehnsurkunde gemeinsam mit Vertretern der anderen Linien auch mit Berteroda belehnt worden, war dort also "Mitbelehnter". 1538 soll Ernst von Harstall verstorben sein. Sicher wurde er in der Mihlaer Kirche beigesetzt. Leider wissen wir nichts über die Lage des Grabes. Es gibt auch keine bildliche Darstellung jenes Mannes, der die Familie in Mihla auf den Höhepunkt ihrerHerrschaft brachte. Seine Söhne konnten auf dieser Grundlage aufbauen und taten dies auch. Aber bereits in der nachfolgenden Generation kam es zu ernsthaften Problemen, die schließlich nicht bewältigt werden konnten. Dies ist aber einem neuen Artikel vorbehalten.    Mihla, 27.01.2002 - R.Lämmerhirt