1730 - In alten Gerichtsakten geblättert 

Einer der längsten in Thüringen ausgefochtenen Rechtsstreite zwischen zwei Gemeinden ging in die Geschichte ein als der „Werthäuser Streit“. 

Er geschah zwischen den Gemeinden Ebenhausen und Mihla und ist das typische Beispiel der territorialen und juristischen Zersplitterung in Thüringen. Der Streit ging um die genaue Flurgrenze zwischen beiden Orten auf dem Flurstück Werthausen an der Werra, auf der Mihlaer Seite des Flusses gelegen und einst die Flur eines untergegangenen Dorfes. 

Deren Bewohner waren zum Teil nach Ebenshausen gezogen und hatten ihre Flurstücke „mitgenommen“, die Flur zählte aber inzwischen zur Flur des Dorfes Mihla und unterstand auch der Gerichtsbarkeit des adligen Gerichts von Harstall und teilweise des Amtsgerichtes Creuzburg. 

Der Streit begann aktenkundig im 16. Jahrhundert, erreichte um 1730 einen Höhepunkt, schwelte aber weiter bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Noch heute wissen die älteren Einwohner in beiden Orten darüber. 


Gerichtssiegel des hochadligen Gerichts der Herren von Harstall, Original im Museum Mihla. 


Lehnbrief der sächsischen Herzöge an die Familie von Harstall, Museum im Rathaus Mihla

Zum erneuten Ausbruch des Streites kam es im Jahre 1728. Was war geschehen? Darüber berichten die Aktenbände der Gerichte und der Schultheißen beider Gemeinden ausführlich.

Beim Ziehen der Herbstfurche im Jahre 1728 stellte der Pächter im Mihlaer Roten Schloss, Johann Georg Schellhase, fest, dass der Bauer Martin Schreiber aus Ebenshausen einige Furchen aus den harstallschen Besitz herausgepflügt hatte. 

Schellhase verlangte als Ersatz dafür zusätzliche Garben Korn vom Ebenshäuser Bauern. Der bis dahin mühsam unterdrückte Streit brach nun voll aus und erreichte ein Jahr später seinen Höhepunkt. 

Die Gemeinde Mihla hatte die Birnbäume im Flurstück „Saurasen“ beim Wernershäuser Berg an den Mihlaer Sandmüller Christian Illert verpachtet, obwohl diese Bäume bereits seit 40 Jahren durch die Ebenshäuser Gemeinde geerntet wurden. 

Am 7. September 1729 pflückte nun der besagte Sandmüller diese Bäume und wurde dabei von Ebenshäuser Bauern unter Führung des dortigen Heimbürgen Noatz Ullrich gestellt. Es kam zu einem Wortgefecht und schließlich zu einer handfesten Schlägerei, in welcher der Sandmüller übel zugerichtet wurde und „…halbtot am Platze liegen blieb…“. 

Illert wurden die Birnenkörbe, sein Kittel und ein mitgeführter Quersack abgenommen, worauf er dem Noatz Ullrich drohte, dieser „…müsse sterben, käme er nochmals nach Mihla…“. (Alle Zitate nach den Gerichtsakten des von harstallschen Gerichts und der Heimbürgenrechnungen in Mihla, Ortsarchiv). 

Der Streit ging weiter. Die Mihlaer Gemeinde schaltete das für sie zuständige harstallsche Gericht (Mihla war „Adelsdorf“), die Ebenshäuser aber das Amtsgericht Creuzburg ein. Umfangreicher Briefwechsel entstand, der sich für beide Gerichte bis heute erhalten hat. 

Wortführer der Ebenshäuser war der Schulze Nicol Gernandt. Nur mit Mühe konnte schließlich ein Ausgleich erreicht werden: Eine Kommission aus beiden Gerichten, den Gemeinden und den Grundherren wurde gebildet, sie sollte den am Saurasen strittigen Grenzverlauf, die eigentliche Ursache der Auseinandersetzung, genau feststellen. 

Im Ergebnis der Flurbegehung legte das Creuzburger Amtsgericht als oberste Instanz und Vertreter des Landesherren eine Neuvermessung der Flurgrenzen fest. Das Gericht bestätigte die Ansprüche der Herren von Harstall auf die Flur Werthausen, die diese mit ihren Lehensbriefen nachweisen konnten, ausdrücklich. 

Die neue „Versteinerung“ der Flur führte zu weiteren Streitigkeiten. Der passive Widerstand der Ebenshäuser, die sich um ihr Gewohnheitsrecht betrogen sahen, schlug immer wieder in Aggressivität gegenüber den eingesetzten Vermessern um. Mehrfach musste das Amtsgericht drohen, die Vermesser nicht zu ängstigen oder gar zu verjagen! 

Zwar wurden die Flurgrenzen, in diesem Falle sogar auch die Landesgrenzen zwischen den Herzogtümern Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Gotha, neu versteinert, aber die Frage der Beteiligung der Ebenshäuser an den Steuerzahlungen der Mihlaer aufgrund ihrer Grundstücke in der Mihlaer Flur gab weiteren Anlass zu Auseinandersetzungen. 

Rainer Lämmerhirt