Der Pilot hat ein Gesicht erhalten 

Manchmal gibt es kuriose Entwicklungen. So auch um den Absturz eines deutschen Bombers am 3. Februar 1944 im Mihlaer Tal unweit des „Hühnerloches“. 

Mehrfach konnte darüber berichtet werden. Durch die Untersuchungen des leider viel zu früh verstorbenen Luftkriegsforscher Eberhard Hälbig war es vor einigen Jahren gelungen, weitere Einzelheiten zu erfahren. 

Wir fassen zusammen: Am 3. Februar 1944 gegen Mittag geriet ein viermotoriger deutscher Bomber vom Typ He-177 in Absturzgefahr. Dieser Bombertyp, der einzige viermotorige Bomber der Luftwaffe, war technisch nicht völlig ausgereift zum Einsatz gekommen. Vier Motoren trieben zwei Propeller an und dadurch kam es immer wieder zu Triebwerkserhitzungen und zum Absturz. Die Maschine wurde deshalb auch als „Reichsfeuerzeug“ bezeichnet. 

Offensichtlich war auch jene Maschine in Schwierigkeiten geraten und versuchte eine Notlandung auf der Harstallswiese im Mihlaer Tal. Dies ging aber schief und die Maschine raste in das Wäldchen rechts vom Wernershäuser Weg. Drei der sechs Besatzungsmitglieder konnten noch mit dem Fallschirm abspringen, zwei überlebten den Absturz. Der dritte Fallschirmspringer traf ungehemmt auf den Waldboden auf, da sich sein Schirm nicht mehr öffnete. Drei weitere Besatzungsmitglieder verbrannten im Flugzeug. 

Die Maschine löste einen kleinen Waldbrand aus. Viele Mihlaer machten sich damals auf zur Unglückstelle. Diese wurde aber rasch durch Sicherheitskräfte abgeschirmt. Die Reste der Maschine wurden dann zum Bahnhof transportiert und mit der Eisenbahn abgefahren. 

Die beiden überlebenden Besatzungsmitglieder waren für eine Nacht im Gasthof „Zum Schwan“ in Mihla untergebracht und so erfuhren einige Mihlaer wenige Einzelheiten. Restlos klären konnte man die Umstände des Absturzes und vor allem die Namen der Besatzung erst viele Jahrzehnte später. 

Sehr rasch wurde das Ereignis durch die hereinbrechenden Kriegsereignisse offensichtlich verdrängt. Offizielle Aufklärung gab es nicht. 

Heute wissen wir, dass die Maschine zur 11. Staffel der IV. Gruppe des Kampfgeschwaders 40 gehörte. Das Kampfgeschwader 40 war als Fernbombengeschwader eingesetzt und führte in seiner IV. Gruppe ausschließlich die störanfällige He-177 in ihrem Bestand. Augenzeugen berichten, dass sie von den überlebenden Fliegern erfahren hatten, dass die Maschine vom norddeutschen Flugplatz Fassberg gestartet sei. 


He-177 mit zusätzlichen Gleitbomben unter dem Bombenschacht. Eine Maschine dieses Types stürzte am 3. Februar 1944 bei Mihla ab. 

Unsere Maschine mit der Kennzeichnung F8+TV (F8 für KG 40, V für 11. Staffel, T war ein staffelinternes Zeichen) trug die Fabrikationsnummer 535 870 und war vom Typ A-3. Diese Ausführung war die erste Serie des Bombers, die in großer Stückzahl an die Fliegertruppe ausgeliefert wurde. 

In Zusammenarbeit mit der Zeitschrift „Fliegerblatt“ konnten Namen der Besatzung ermittelt werden: Flugzeugführer war der 1918 geborene Unteroffizier Friedrich Knöchel. Mit ihm starben der Bordfunker Unteroffizier Valentin Prestel, der Bordmechaniker Gefreiter Paul Stuhldreier und der Bordschütze Gefreiter Günther Bannas. Diese vier bisher unbekannten Flieger haben nun einen Namen bekommen. 

     
Unteroffizier Friedrich Knöchel in Fliegermontur und in Uniform. Er starb beim Absturz seines Bombers He-177 am 3. Februar 1944 mit 26 Jahren. Mit ihm fanden drei weitere Besatzungsmitglieder den Tod. Knöchel stammt aus Hauröden im Eichsfeld. Er lernte das Bäckerhandwerk. Durch die Flug-HJ kam er in den 30er Jahren wie viele andere Jugendliche zur Fliegerei und war bald mit Begeisterung bei der Luftwaffe. Als Pilot ausgebildet nahm er an den Kämpfen in Polen und Norwegen teil, ehe er, Einzelheiten sind noch nicht bekannt, zur Bombergruppe des Kampfgeschwaders 40 kam. Dort muss er zu den erfahrenen Piloten gezählt haben. 

Unklarheiten betreffen noch immer die restlichen Besatzungsmitglieder. Nun schließt sich ein weiterer Kreis des Wissens um diese Katastrophe. 

Herr Mario Genzel las im Internet auf der „Mihla-Seite“ einen Artikel über den Absturz. Sofort erkannte er, dass es sich bei dem Piloten Friedrich Knöchel um einen Verwandten handelte, dessen Schicksal bisher weitgehend unklar war. Es gab nur einen von der Heimatgemeinde ausgestellten Totenschein, dass er bei „Mila“ in ingen umgekommen sei. Rasch wurde ein Besuchstermin im Mihlaer Rathaus ausgemacht. Gemeinsam mit Mutter Martina Genzel, der Tochter einer Schwester des Piloten, konnten die im Museum ausgestellten Gegenstände und Texte zum damaligen Unglück besichtigt werden. 

Und nicht nur das. Im Keller des Rathauses lagern in zehn Kisten sämtliche 1944 eingesammelten Flugzeugteile der He-177. Eberhard Hälbig hatte den Erwerb von einem Sammler vor Jahren angeregt. Und es ging gemeinsam ins Mihlaer Tal zum Absturz- und Todesort der vier Flieger. 


Martina Genzel und Mario Genzel kurz vor Pfingsten im Mihlaer Museum. Auf den Spuren ihres Verwandten erfuhren und sahen sie viel von den damaligen Ereignissen. 

Das war auch für Mihlas Ortschronisten Rainer Lämmerhirt ein sehr bewegender Tag, denn Familie Genzel brachte noch einige alte Fotoalben mit und nun hat zumindest der Pilot der Unglücksmaschine ein Gesicht bekommen. 

Die Familie Genzel wird wohl nochmals den Weg ins Mihlaer Museum finden, denn es gibt noch viel zu sehen und zu erfahren. 

- Ortschronist Mihla -