August Trabert, ein bisher kaum beachteter Mihlaer

Vor 100 Jahren sah das ganz anders aus. Sein Name war in großen Buchstaben über der Wasserkammer der Mihlaer Wasserkraftwerkes auf dem Mühlwehr zu lesen. 

Voller Stolz hatte er sich dort verewigen lassen und jeder Floßfahrer, der die Schleuse neben dem Turbinenhaus benutzte, wusste, wer August Trabert war, der Besitzer der Mihlaer Werramühle und des dortigen Elektrizitätswerkes. 

Aber das reicht nicht aus, was man über Trabert wissen sollte. Neuere Forschungen im Zusammenhang mit dem Neuaufbau des Mihlaer Wasserkraftwerkes durch Siegmar Neuhaus ("Das Wasserkraftwerk Mihla an der Werra", Erfurt 2006) und Hanno Turnit ("Thüringen im Strom der Zeit", München und Leipzig 1998) verweisen auf noch wesentlich interessantere Vorgänge. Diese lassen sich auch durch Fakten aus der Mihlaer Chronik erhärten. 

Die Werramühle, eine durch den Mühlwehrarm unterschlächtig betriebene Getreidemühle, wurde bereits in einer Güterbeschreibung des Erzstiftes Mainz im Jahre 1248 genannt. Sie ist damit sicher eine der ältesten Wassermühlen der Region. 

Imposant, was unsere Vorfahren leisteten! Der Mühlwehrarm zweigte von der Werra ab, wurde noch zusätzlich durch die Lauter gespeist, trieb die Mühlräder der Werramühle und floss dann kurz vor der Einmündung des Artelbaches wieder in die Werra. So entstand die "Mühlwehrinsel" oder das Mühlwehr, wie die Mihlaer sagten. 

Später wurden die Herren von Harstall Mühlenbesitzer. Sie verpachteten die einträgliche Mühle immer wieder an die "Werramüller", die im Ort immer Respektspersonen waren. 

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts zwangen dann wirtschaftliche Engpässe zum Verkauf. So kam August Trabert, eigentlich Zacharias August, noch vor 1880 in den Besitz der Mühle. 

Sein Start als Mühlenbesitzer war alles anders als optimistisch. Im Jahre 1880 brach ein Schadfeuer in der Schneidemühle aus und richtete erheblichen Schaden an. Dabei war neben den Mahlgängen für das Getreide gerade die Schneidemühle schon ein Fortschritt. 

Vielleicht war es gerade dieser Schaden, der August Trabert dazu bewogen hat, besser und kreativer über die Zukunft nachzudenken. Sicher stellte er sich die Frage, weshalb immer in den eingefahrenen Gleisen arbeiten, besser, etwas Neues zu versuchen! 

Offensichtlich war er ein innovativer Mensch. Leider wissen wir zu wenig über seine Person, so dass unsere Vermutungen letztlich nicht belegbar sind. 

Die Eisenacher Zeitung berichtete, dass August Trabert noch im Jahre 1880 mit dem Wiederaufbau seiner Mühlenanlage seine Mahlmühle mit einer Turbine ausstatten ließ. Woher diese bezogen wurde und von welchem Typ sie war, ist unbekannt. Vermutlich handelte es sich um einen Vorläufer der späteren Francis-Turbinen. Diese waren seit 1850 bekannt, bisher aber kaum in Wassermühlen eingebaut worden. Allerdings konnte dadurch die Leistungsfähigkeit enorm erhöht werden und in den nächsten Jahrzehnten ersetzten solche Turbinen die unterschlächtig angetriebenen Wasserräder. 

August Trabert ging jedoch noch weiter. An diese Turbine schloss er auch einen der gerade entwickelten Generatoren zur Stromerzeugung an. Damit beleuchtete Trabert seine Mühle, für weitere Zwecke war die Leistung zu gering. Ihm ging es wohl vor allem darum, mit dieser neuen Technik zu experimentieren und dabei auch zu lernen. Spätestens 1882 brannte bei August Trabert in der Werramühle elektrisches Licht, das erste weit und breit in Thüringen! 

Diese Erkenntnis ist erst durch die Forschungen der letzten Jahrzehnte gewachsen und bisher kaum beachtet worden. Immerhin wird August Trabert und die Mihlaer Werramühle inzwischen in der Fachliteratur als einer der ersten Betreiber eines "Wasserkraftwerkes" aufgeführt. Im Ort selbst wird der umtriebige Mühlenbesitzer sicher noch belächelt worden sein. Immerhin saß er auch für einige Jahre im Gemeinderat und war ein anerkannter Geschäftsmann. 

Die Geschichte ging allerdings noch weiter. Trabert sammelte neue Erkenntnisse, Turbinen und Generatoren entwickelten sich äußerst rasch weiter. Schon bald reifte der Plan, die immer ungünstiger werdende Getreidemühle gänzlich stillzulegen und die Wasserkraft insgesamt für die Stromerzeugung zu nutzen. Auch hierbei blieb August Trabert ein Pionier in Thüringen. 


Grundsteinlegung für das neue Mihlaer Wasserkraftwerk im Jahre 1908. Bauherr August Trabert mit Ehefrau Greta rechts in der Mitte. 


Der Name des Wasserkraftpioniers August Trabert und die Jahreszahl der Eröffnung des Kraftwerkes 1910 an der Oberwasserseite künden vom Stolz des Erbauers. 

Er begann 1907 mit dem Umbau der alten Schneidemühle zu einem E-Werk und der Errichtung einer mit Turbinen getriebenen Holzschleiferei. Um genügend Wasser auf die Turbinenblätter leiten zu können, musste der Mühlgraben um etwa 3 Meter verbreitert werden. Zudem war verlangt, eine Kastenschleuse einzubauen, um die jährlich vom Oberlauf der Werra herabkommenden Holzflöße passieren lassen zu können. Zeitweise waren auf der Baustelle bis zu hundert Arbeiter beschäftigt. 

Nach der Installierung der drei Turbinen des Typs Francis und der Ausrüstung der Maschinenanlage durch die Gothaer Firma Briegleb&Hansen im neuerbauten Kraftsaal und dem Aufbau eines Leitungsnetzes im Ort erfolgte bis zum 1.10.1910, nach umfangreichen Verhandlungen mit der Überlandzentrale, der Anschluss an deren Überlandnetz. Die Leistung des neuen Wasserkraftwerkes betrug damals 400 Kilowattstunden. 

Turbinenhaus Mitte der 20er Jahre. 

Auch mit der Übertragung der Leistungen an die Mühlhäuser Überlandzentrale bewies August Trabert nicht nur geschäftlichen Spürsinn, sondern auch die Erkenntnis, damit einen nicht unerheblichen Beitrag zur Elektrifizierung der gesamten Region zu leisten. Schon bald wurden die meisten Orte bis nach Creuzburg mit Strom versorgt. 

Das Mihlaer E-Werk speiste in dieses System ein. Am 17.2.1911 war es dann soweit. Die Eisenacher Zeitung berichtete, dass Mihlas Straßen erstmals vom elektrischen Licht beleuchtet wurden und damit ein weiteres Stück Fortschritt in unseren Ort eingezogen sei.

All diese Veränderungen vollzogen sich innerhalb kürzester Zeit, im Verlauf von etwa 30 Jahren. Sie fanden ihren Niederschlag daher besonders in den Lebensgewohnheiten der Menschen. Manche Neuerung war nicht ohne den Widerstand vieler einfacher Menschen durchgesetzt worden. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass es in den Jahren um 1900 mit dem Wandel der gesamten dörflichen Lebensgrundlagen zur Ausbildung neuer Verhaltensweisen und zum Abbruch bestehender Traditionen kam. Dies alles ging nicht konfliktlos vor sich. 

Die Eisenacher Zeitung berichtete. "Mihla. Die Umarbeiten an der hiesigen Werramühle sind jetzt ziemlich weit gediehen. Es wurde anstelle des die Schneidemühle antreibenden Wasserrades zwei neue Turbinen-Fundamente (die Mahlmühle hat schon seit 30 Jahren Turbinenantrieb) und eine sogenannte Kastenschleuse erbaut, den Mühlgraben um ca. 3 Meter verbreitert und die Schneidemühle selbst zur Anlage einer Holzschleiferei eingerichtet..." 

Um 1935 übertrug August Trabert sein Wasserkraftwerk an seine Tochter Henriette Elisabeth Mahr. Sie war 1889 geboren und hatte 1912 den Sohn des Creuzburger Forstmeisters Rudolf Mahr in Mihla geheiratet. Mahr war als Mediziner in Stadtroda im Altenburger Land tätig und zog dann nach Mihla. 

Der Sohn Walter wurde 1914 geboren. Im 2. Weltkrieg als Offizier ausgezeichnet lieferte das die Möglichkeit, das Wasserkraftwerk, nach Umbauten 1934 immer noch voll leistungsfähig, unter Sequester der Besatzungsmacht zu stellen und wenig später zu enteignen. Von 1946 bis 1948 vom Land Thüringen verwaltet erfolgte dann die Unterstellung als Volkseigener Betrieb dem Energiebezirk Süd. 

Bis zum Jahre 1970 produzierte das Mihlaer Wasserkraftwerk Strom. Dann wurde es wegen Verschleiß der Anlagen stillgelegt und der Mühlwehrarm zugeschüttet. 

Heute erinnert nur noch der Baukörper des früheren Maschinenhauses an diese pioniertechnisch so spannende Geschichte und August Trabert ist, aus meiner sicht völlig zu Unrecht, gänzlich aus dem Gesichtskreis der Erinnerungen ausgelöscht. 

Hätte es im Jahre 2006 nicht den Aufbau des neuen Wasserkraftwerkes auf dem Sand gegeben, die Vergangenheit des Mihlaer Wasserkraftwerkes und die Rolle von August Trabert wäre wohl für immer in der Werra, oder besser im zugeschütteten Mühlgraben, verschwunden. 

- Ortschronist -