1914 1. Weltkrieg - Kriegsausbruch und „Augusterlebnis“ - Erinnerung an den Ausbruch der Urkatastrophe vor 110 Jahren

Vor 110 Jahren begannen jene Entwicklungen in Europa, die im Sommer 1914 zum Ausbruch eines gewaltigen Krieges führen sollten, den man bald als „Weltkrieg“ erlebte. Heute gilt er als die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Begleiten Sie uns in die Zeit vor 110 Jahren zurück...

Im Jahre 1910 überschritt die Einwohnerzahl Mihlas die Grenze von 2.000 Personen. In der Volkszählung vom 1.12. hatte Mihla 941 männliche und 1067 weibliche Einwohner. Trotz vieler Schwierigkeiten, vor allem den schlechten Lebensbedingungen der meisten Mihlaer,  welche zwischen den Angehörigen der einzelnen Klassen und Schichten im Ort herrschte, war ein Aufschwung auf vielen Gebieten des täglichen Lebens zu spüren.

Zwar gab es unter den einfachen Menschen warnende Stimmen gegen die Militarisierung, die in allen Bereichen des Alltagslebens zu spüren war, so trugen allein die vielen Militär- und Flottenvereine den Gedanken eines zukünftigen Sieges gegen alle Länder unter die Massen, Kinder gingen in Matrosenkleidung zur Schule und Feiertage wie der „Sedanstag“ ließen den Stolz auf die eigene militärische Vergangenheit spüren, aber diese Stimmen gingen in der allgemeinen Stimmung unter. Vor allem ältere Mihlaer, die die Einigungskriege erlebt hatten, sahen in der Vielzahl der Ereignisse der Jahre 1911 bis 1914 „warnende Fingerzeige“, wurden dafür aber immer wieder nur verlacht:

Im Sommer 1911 ließ ein Erdbeben Mihla und die Region erschüttern und die Brandkatastrophen vom 4.8.1906 (durch Blitzschlag brannte das Haus von Adolf Wiener „Am Bach" nieder, der Hausbesitzer fand den Tod), vom 26.12.1911 (Niederbrennen der Schneidemühle von Ernst Nowatzky) und vom 31.5.1913 (Scheune der Harstalls auf dem Sande durch Blitzschlag), sorgten immer wieder für Unruhe, nachhaltiger war in jenen Jahren jedoch der Boden, auf dem immer erneute Kriegsbegeisterung gezüchtet wurde.

Die hundertste Wiederkehr des Beginns des Befreiungskrieges 1813 gegen Napoleon wurde von allen Vereinen in Mihla und der gesamten Einwohnerschaft mit größter Begeisterung gefeiert. Festgottesdienste, Umzüge und Kundgebungen waren von starken Angriffen gegen den französischen Erbfeind begleitet.

So war es kein Wunder, dass in den Tagen höchster Spannung und gesteigerter Kriegshetze nach dem Attentat von Sarajewo (28.6.1914) kaum ein Mihlaer die wirkliche Gefahr erkannte und zur Zurückhaltung mahnte. Vor vielen begeisterten Einwohnern verkündete der bei der Bevölkerung sehr beliebte Arzt Dr. Evers in seiner Funktion als Stabsarzt der Reserve auf dem Mihlaer Markt am 31.7.1914 den Zustand der drohenden Kriegsgefahr. Bereits am 1. August erfolgte die Mobilmachung. Die ersten Reservisten wurden zu ihren Truppenteilen eingezogen. Eine allgemeine Unruhe, die bald durch ein Hochgefühl für den in kurzer Zeit erwarteten Sieg abgelöst wurde, machte sich breit.

Das normale Leben schien stehengeblieben zu sein. Auf allen Straßen und Plätzen gab es nur noch ein Thema: Krieg und Sieg gegen die alten Erbfeinde!

Am Abend des 1.8.1914 läuteten die Glocken und Bürgermeister Baumbach gab den Kriegszustand mit Russland bekannt. Der Krieg war Tatsache geworden.

Die Stimmung unter den meisten Einwohnern spiegelt die im Protokollbuch des Turnvereins vom Ehrenvorsitzenden Lehrer Göpel niedergeschriebene Stellungnahme zum Krieg wider: „Eine große, aber furchtbar schwere Zeit ist über unser Vaterland hereingebrochen. Alle Welt hat uns Deutschen und den verbündeten Österreichern den Krieg erklärt. Wir wissen, daß wir sehr schwere Arbeit zu verrichten haben, hauptsächlich den Franzosen, Engländern und Russen gegenüber, die durch ihre Kriegserklärung sich als Lügner, Heuchler und Beschützer des Mordens entpuppt haben.

Diesen Millionen Feinden müssen wir die Stirn bieten! Das tun wir und tun es mit Freuden, im Vertrauen auf den Höchsten, der sich unserer gerechten Sache annehmen wird, aber auch im Vertrauen auf unsere Heerführung, die uns zum Siege führen wird!" 


»Europäischer Dreschplatz« »Nun aber wollen wir sie dreschen!« »Japan – Ägypten – Serbien – Montenegro – Belgien« »Frankreich – Russland – England« Diese Postkarte wurde im August 1914 von vielen Mihlaern an Angehörige geschickt, die gerade zum Kriegsdienst einberufen worden waren... echt deutsche Bescheidenheit! 


Auch in Mihla wurde diese Postkarte zum Abschied der Männer in den Krieg verschickt, für viele gab es jedoch kein Wiedersehen... Aus Mihla fielen bis 1918 71 Männer. 

Noch am gleichen Tag fanden Versammlungen der Vereine statt, auf denen der Krieg in ähnlicher Weise begrüßt wurde. Der Turnverein begann eine Übersicht anzulegen, die alle zum Kriegsdienst eingezogenen Turnbrüder erfasste. Die Liste wurde mit der Nummer 103 abgeschlossen. 

In wenigen Tagen mussten hunderte Mihlaer Männer Abschied von ihren Familien nehmen. Für viele war es ein Abschied für immer. Die Eisenacher Zeitung meldete bereits am 26.8.1914, dass über 300 Männer aus unserem Orte unter Waffen ständen. Am Bahnhof gab es immer wieder Abschiedsszenen. Die Familien brachten ihre Söhne zu den Zügen, die diese in die Kasernen zur Ausbildung und Vorbereitung auf den Fronteinsatz brachten. 


Ein Kartengruß mit Foto an die Heimat. 

Die Stimmung war meist ernst, wie das bei Abschieden sicher der Fall ist, aber immer wieder war „Die Wacht am Rhein“ gesungen zu hören und die jungen Männer fuhren mit der festen Gewissheit in den Krieg, dass sie im Herbst wohlbehalten zurück seien und dass dann der Sieg erneut in deutscher Hand liegen würde... Viele kehrten nie zurück.

R. Lämmerhirt