Klimawandel und Wald: Was passiert in den Wäldern des Forstamtes Hainich-Werratal? Von Dirk Fritzlar, Leiter des Forstamtes Hainich-Werratal 

Der Klimawandel und auch seine Auswirkungen auf den Wald sind in aller Munde. Trockenheitsrekorde und Hitzerekorde in kurzer Folge – was passiert mit unseren heimischen Wäldern? Wie reagiert die Forstwirtschaft in unserer Region. Waldbesucher haben derzeit viele Fragen. Der Leiter des Forstamtes Hainich-Werratal, Dirk Fritzlar, möchte im Folgenden auf häufig gestellte Fragen antworten. 

Warum geht es dem Wald so schlecht?

Nach den extrem trockenen Jahren 2018 und 2019 kam es 2020 zwar zu einer leichten Verbesserung, aber auch 2020 war trockener als ein Normaljahr. In der Folge der Trockenjahre kam es zu massiven Absterbeerscheinungen im Wald und zu Massenvermehrungen von schädigenden Insekten. Die Abwehrkräfte der Bäume gegen Insekten und pilzliche Erreger waren stark geschrumpft. 

Wie geht es den Fichten?

Im Bereich des Forstamtes nahm die Fichte bis 2018 einen Anteil von etwa 10 % ein. Die Fichte gilt in den meisten Bereichen des Forstamtes als „nicht standortsgerecht“. Das heißt, es gibt für sie eigentlich zu wenig Niederschlag und vor allem auf Kalkstandorten wird sie in der Regel von der sogenannten „Rotfäule“ befallen. Das führt dazu, dass unsere Fichten gegen die seit 2018 herrschende Massenvermehrung von Borkenkäfern deutlich schlechter gewappnet sind, als in höheren Lagen bspw. des Thüringer Waldes. In Folge dieser Massenvermehrung sind inzwischen nahezu 80 % unserer Fichten abgestorben, mussten geerntet werden oder verbleiben abgestorben im Wald. 


Besonders schwer von Sturm und Borkenkäferbefall getroffen war der „Fichtenrain“ im Mihlaer Tal, hier eine Aufnahme aus 2020. 

Wie geht es den Buchen?

Die Buche ist die häufigste Baumart im Forstamtsbereich. Buchenwaldgesellschaften prägen das Bild in Hainich, Dün und Werratal. Die massiven Trockenschäden machen uns große Sorgen. Viele Buchen konnten ihre oberen Etagen nicht mehr mit Wasser versorgen und trockneten vom oberen Ende ein. Geschwächt in ihrer Abwehr kommen oft Insekten- und Pilzbefall hinzu, was schließlich zum kompletten Absterben führt. Betroffen sind vorwiegend die ältesten und höchsten Bäume. Die Trockenschäden sind so umfangreich, dass sie selbst auf Satellitenbildern erkennbar sind. Die hohe Anzahl an toten Ästen in den Buchenkronen stellt auch für Waldbesucher eine deutlich erhöhte Gefahr dar. 


Krankheitsanzeichen an einer Buche im Hainich. 

Haben andere Baumarten auch Probleme?

Viele andere Baumarten kämpfen ebenfalls mit den Auswirkungen des Klimawandels bzw. mit vermehrt auftretenden Schadorganismen. So beobachten wir seit etwas mehr als 10 Jahren das sogenannte Eschentriebsterben, welches teilweise zum Totalausfall der Esche als Mischbaumart führt. Beim Bergahorn tritt in Thüringen seit einigen Jahren verstärkt die Rußrindenkrankheit auf, ein Pilzbefall, welcher ebenfalls das Absterben der befallenen Bäume zur Folge hat. An der Baumart Kiefer gibt es sogar eine Vielzahl von Insekten und Pilzen, welche dieser Baumart stark zusetzen. 

Hat die Forstwirtschaft Schuld am Waldsterben?

Die aktuelle Entwicklung ist klar eine Folge des Klimawandels. Natürlich sind Wälder unterschiedlich stark gefährdet. Wälder, welche aus nur einer Baumart bestehen, tragen ein deutlich größeres Risiko als gemischte Wälder. Auch reine Buchenwälder sind stärker trockenheitsgefährdet als gemischte Buchenwälder. Ziel der Thüringer Forstverwaltung ist seit mehr als 30 Jahren der Aufbau gemischter und strukturierter (ungleichaltriger) Wälder. Diese Aufgabe kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern sie benötigt auch sehr viel Zeit. In unserer Region verfügen wir in der Regel bereits über Laubwälder mit mehreren Baumarten, welche in vielen Bereichen auch sehr strukturiert (ungleichaltrig) sind. 

Warum wird derzeit so viel Holz eingeschlagen?

Während im Nationalpark einzig die Natur die Entwicklung bestimmt und absterbende Bäume im Wald verbleiben, ist ein Ziel im Wirtschaftswald (auch) die Produktion des wertvollen nachwachsenden Rohstoffs Holz. Die Verwendung von Holz im Hausbau, Möbelbau oder als Fußboden trägt aktiv zum Klimaschutz und zum Wohlbefinden der Menschen bei. Viele Arbeitsplätze, insbesondere im ländlichen Raum hängen an der gesamten Wertschöpfungskette Holz. Seit drei Jahren werden ausschließlich geschädigte (absterbende) Bäume geerntet. Ein Grund kann die Eindämmung der Massenvermehrung von Schadinsekten sein. Ein weiterer und durchaus häufigerer Grund ist die Rettung des Rohstoffes vor dem Verfall. Dies sichert einerseits die Versorgung der heimischen Holzindustrie und andererseits rettet es in gewissem Umfang Vermögenswerte der Waldbesitzer. In einem größeren Kommunalwald kommen dabei schnell hohe fünfstellige Beträge zusammen, welche man „verfallen lassen“ kann oder eben „retten kann“. 

Warum sind die Waldwege häufig voller Schlamm?

Waldwege, in der Fachsprache „ganzjährig LKW-befahrbare Wege“, wurden von den Waldbesitzern teils mit Unterstützung von Fördermitteln zum Zweck des Holztransportes gebaut. Selbstverständlich sind Wanderer oder Radfahrer auf diesen Wegen willkommen. Aufgrund fehlender Frosttage in den Wintern ist insbesondere die Ernte von Laubholz, welche im Winterhalbjahr stattfindet sehr problematisch. Die Entscheidung der Verantwortlichen vor Ort, ob es zu nass ist, ob das Holz noch einige Wochen liegen bleiben kann, ohne dass es Schaden (z.B. durch Verfärbungen) nimmt oder ob man einige Schäden an Wegen in Kauf nimmt und danach wieder aufwändig repariert, ist meist nicht einfach. Niemand, der einen Weg geplant, finanziert und gebaut hat, wird diesen Weg mit wehenden Fahnen wieder zerstören. Es ist immer ein Abwägungsprozess mit einer Entscheidung, die auch Waldbesitzer und Forstleute nicht immer glücklich macht. Aber wie heißt es doch so schön: Wo gehobelt wird, da fallen Späne! Wichtig ist, dass solche Zustände im Anschluss wieder behoben werden. Dann bleiben Wanderschuhe und Fahrräder wieder sauber! 

Welchen Einfluss hatten Frost und Schnee?

Das kurze Gastspiel des Winters hat dafür gesorgt, dass durch die Schneeschmelze und den aufgrund der Schneeauflage nicht vorhandenen Bodenfrost das Schmelzwasser gut einsickern konnte. Ein Aufatmen für die Bodenfeuchte, aber leider keine Entwarnung! Ein trockenes Frühjahr kann das aufkeimende Blümchen einer sich bessernden Bodenfeuchte schnell wieder zunichtemachen. Den meisten Schadinsekten konnte der Frost leider nichts anhaben und selbst die Mäusepopulation im Wald dürfte nicht gelitten haben. 

Müssen Kahlflächen wieder aufgeforstet werden?

Kahlflächen sind im Forstamtsbereich zwar insgesamt selten, aber sie sind dort, wo die Fichte dem Borkenkäfer zum Opfer fiel, doch vorhanden. Auf vielen Flächen, zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass Nachwuchs verschiedenster Baumarten vorhanden ist. Hier reicht oft ein Schutz vor Wildverbiss oder besser eine straffere Bejagung der Rehe, um eine baumartenreiche neue Waldgeneration zu erhalten. Dort, wo sich die Natur mit Angeboten zurückhält oder dort wo man alternative Baumarten (z.B. Weißtanne oder Douglasie) einbringen möchte, wird man aktiv pflanzen müssen. Insgesamt verfügen aber unsere Wälder der Region über eine hohe Verjüngungsfreudigkeit und man kann der Natur durchaus vertrauen. 

Wie gehen Forstleute und Waldbesitzer mit der Situation um?

Die vor drei Jahren beginnende Entwicklung in den Wäldern war insbesondere für Waldeigentümer und Forstleute schockierend. Das Forstamt Hainich-Werratal und seine Revierleiter betreuen per Beförsterungsvertrag den größten Teil der Privat- und Kommunalwaldflächen im Forstamt. Seit nunmehr 3 Jahren arbeiten die zuständigen Revierleiter oft an der Grenze der Belastbarkeit, um die negativen Auswirkungen des aktuellen Waldsterbens für Waldeigentümer und für die Gesellschaft so gering wie möglich zu halten. Waldeigentümer und Forstleute kämpfen um die Zukunftsfähigkeit des Waldes mit all seinen Funktionen und auch darum, dass der umweltfreundlichste Rohstoff Holz auch in Zukunft aus unseren Wäldern bereitgestellt werden kann.