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Stand Juli 2020
Eisenacher Geschichte und Ereignisse im Zweiten Weltkrieg
Advanced Landing Ground R-1 - Wenigenlupnitz, 10. 04. 1945
Die Literatur über die Geschichte des Luftkrieges erweckt oft den Eindruck, dass der Krieg über den Wolken nur von Jägern und Bombern geführt wird.
Dem ist aber nicht so. Bei vorrückender Front brauchen sowohl die Bodentruppen als auch die Luftwaffe Nachschub an Waffen, Munition, Treibstoff, Nahrungsmitteln, medizinischen Versorgungsgütern und so weiter. Die Versorgungswege zur Front werden bei vorrückenden Truppen immer länger. Ebenso die Wege, auf denen Verwundete zur Behandlung ins Hinterland gebracht werden.
Ohne die Lösung dieser logistischen Herausforderungen bleiben die Bodentruppen liegen und die Flugzeuge am Boden. Eine Möglichkeit ist, dass die Unterstützungstruppen zu Land, zu Wasser und auch in der Luft der Front folgen. Die letzte Anmerkung, die logistische Unterstützung durch Flugzeuge, hatte ihre Geburtsstunde im Zweiten Weltkrieg, steckte aber damals noch in den Kinderschuhen. Ihr kommt heute eine ähnlich wichtige Rolle zu, wie den Jägern und Bombern.
Das Zauberwort bei einem motorisierten Krieg heißt in jedem Fall: Transport. Alle sind gefordert: Eisenbahn, LKW, Transportflieger, Schiffe oder die Versorgung mittels Pipelines. In der US Armee oblag diese Aufgabe im Zweiten Weltkrieg, der im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg (Stellungskrieg) ein Bewegungskrieg war, den Einheiten des Combat Service Support. Dort liefen alle Informationen über den Verbrauch, den Ersatzteilbedarf, die Verpflegung und die benötigten Mittel für die medizinische Versorgung zusammen. Die Herausforderungen an die Combat Service Support Truppen waren gewaltig. Eine US Armee verbrauchte bei normalem Betrieb zirka 1,5 Millionen Liter Treibstoff am Tag. Bei schnell durchgeführten Operationen, wie zum Beispiel der Verfolgung der Deutschen durch Pattons 3. Armee in der Normandie, fast 3 Millionen Liter pro Tag. Aber der Soldat „lebt nicht vom Treibstoff allein“. Divisionen brauchen Nahrung, Kleidung und nicht zu vergessen Munition. Um welche Größenordnungen es sich dabei handelt kann man dem „U.S.ARMY HANDBOOK, 1939-1945“ von George Forty entnehmen. Dort wird ausgeführt, dass eine Division mit zwei angeschlossen Luftgeschwadern und einer Mannschaftsstärke von 500.000 Mann etwa 1600 Tonnen Nachschub pro Tag benötigt.
Diese Menge gliedert sich auf in 1100 Tonnen Massengut, 475 Tonnen Treibstoff und 25 Tonnen Fahrzeuge und Zubehör. Aufgegliedert in den Bedarf der verschiedenen Waffengattungen sind das 595 Tonnen für die Bodentruppen in der Kampfzone, 65 Tonnen für die Luftwaffe und 365 Tonnen allgemein zur Aufrechterhaltung der Divisionsabläufe. Nach Forty bedeutet das, ein Mann brauchte 30 kg an Nachschub pro Tag. Aufgegliedert in: 3,5 kg Nahrung; 200 Gramm Kleidung und Ausrüstung; 3,5 kg Bau- und anderer Stoffe und 1,6 kg Munition sowie weiterer, nicht näher beschriebener Güter. Das alles sind aber nur Schätzwerte. Der Verbrauch hängt ebenso von der Länge der Nachschubwege ab.
Im Oxford Lexikon Zweiter Weltkrieg kann auf Seite 695 nachgelesen werden, dass eine alliierte Division ungefähr 650 Tonnen Nachschub pro Tag brauchte. Eine deutsche Division 200 Tonnen. General Bradley schreibt in seiner Autobiographie, dass die etwa 28 Divisionen, die durch Frankreich und Belgien Richtung Deutschland zogen, durchschnittlich 750 Tonnen Nachschub bei einem Verbrauch von 20.000 Tonnen benötigten – pro Tag und Division!
Operation „Overlord“, die Landung der Alliierten auf dem Kontinent, war erfolgreich.
Die Brückenköpfe an den Stränden waren stabil. Aber nicht alle Ziele der ursprünglichen Planung konnten erreicht werden. Cherbourg, als wichtiger Hafen, konnte nicht im dafür vorgesehenen Zeitfenster eingenommen werden. Von hier aus sollte eine über 15 cm dicke Rohrleitung die Front mit Treibstoff versorgen. Zugleich bot sich Bradley und Patton jedoch auch die einzigartige Möglichkeit, die sich schnell absetzenden deutschen Truppen zu verfolgen, einzuschließen und zu neutralisieren. Sie legten die 1. und 3. Armee zur 12. US Armee Gruppe zusammen und nahmen die Verfolgung auf. Dieser Vorstoß erfolgte so schnell, das es schließlich Ende August zu einer „Logistik“ Krise kam.
Die Frontlänge hatte sich fast auf das Doppelte gedehnt. Die Versorgungslager waren 400 Meilen von der 1. Armee und 350 Meilen von der 3. Armee entfernt. 90% dessen, was die Armee Gruppe benötigte, lag in der Normandie. Nicht dort, wo es gebraucht wurde. Pattons 3. Armee war zum Halt gezwungen.
US- Transporter C-47, Archiv Hälbig.
MACR-Verlustbereicht über den Absturz bei Wenigenlupnitz im April 1945, Archiv Hälbig.
Er tobte und beschwerte sich bei Eisenhower. Beschwerden schaffen aber keine Abhilfe, zumindest nicht kurzfristig. Das Eisenbahnsystem in Nordfrankreich war zerstört und nicht nutzbar. Pioniere waren mit Reparaturarbeiten rund um die Uhr im Einsatz und obwohl bis Ende August 1944 bereits wieder 750 Meilen befahrbar waren, stellte das nicht den Problemlöser dar. Flugzeuge hatten noch nicht die nötige Ladungskapazität, um die Versorgungslücken zu schließen - glaubte man, oder wollte es zu jener Zeit glauben machen. Viele Kommandeure der Transportgeschwader sahen die Rolle des Transports von Nachschub nicht als ihren „Job“ an. Sie wollten ihre Mannschaften und Flugzeuge lieber für „wichtige“ Dinge, zum Beispiel für zukünftige Luftlandeunternehmen, schonen. Diese Gelegenheiten sollten in der Schlacht um Arnheim und die Landung auf dem rechten Ufer des Rheins noch kommen. Ende August 1944 waren die Prioritäten anders und es gab keine Zeit für militärtaktische Fachgespräche oder Streitigkeiten.
Der typische, amerikanische Pragmatismus, nach der Devise: geht nicht; geht nicht; geht! und es muss auch nicht perfekt sein, sondern das Problem lösen, fand eine solche Lösung. Es blieb momentan nur die Möglichkeit des Transports per LKW.
Am 25. August 1944 startete man zunächst mit 67 LKW-Kompanien die Versorgung der Front. Bereits vier Tage später waren es 132 Kompanien, die mit insgesamt 5958 Fahrzeugen, die unter dem Namen „RED BALL EXPRESS“ bekannt wurden, auf festgelegten Routen von den Lagern in der Normandie bei Tag und Nacht zur Front rollten. Dieser Einsatz sollte nur bis zum 05. September 1944 dauern. Tatsächlich rollte der „RED BALL EXPRESSES“ jedoch bis November 1944. 500.000 Tonnen Nachschub wurden in dieser Zeit geliefert. Nicht immer sehr effizient, aber doch dort hin, wo er gebraucht wurde.
Im November 1944 war schließlich der Hafen von Antwerpen freigekämpft und die langen Versorgungswege aus Frankreich gehörten der Vergangenheit an.
Zu dieser Zeit hatte sich aber die „sogenannte“ Logistik Krise für die Planer schon zu einem ganz anderen Problem gewandelt.
Die Aufgaben, die vor den Offizieren der Versorgungstruppen lagen, hatten sich genau ins Gegenteil verkehrt. Nicht nur nagelneue Flugzeuge standen in Schottland auf Halde. Auch 1,5 Millionen Tonnen Nachschub lagen in englischen Depots, die auf dem Kontinent nicht mehr wirklich benötigt wurden. Und die Menge wuchs täglich. Der Krieg war nicht mehr zu verlieren und die Frage lautete: Wie bekommt man die ganzen Armeen, inklusive Ausrüstung, Verwundeten, Kriegsgefangenen und so weiter aus den ehemaligen Kampfgebieten wieder weg? Auf der einen Seite liefern und versorgen und auf der anderen schon Rückzug und entsorgen, beides Herkules-Aufgaben!
Nachdem abzusehen war, dass Luftlande-Unternehmen nicht mehr zum geplanten Kriegsverlauf gehören würden, kamen die C-47 Flugzeuge der Troop Carrier(Luftlande) Einheiten wieder in den Fokus der Versorgungsoffiziere. Mit einer Nutzlast von 6.500 Pounds oder 3,25 Tonnen waren diese Flugzeuge im Grunde genommen der ideale LKW der Lüfte (wie sich später im Kalten Krieg während der Berliner Blockade noch zeigen sollte).
Mit der Landung am 06. Juni 1944 wurden nicht nur Kampfgruppen in der Normandie angelandet, sondern auch USAAF Pionier-Einheiten, die sich sofort an die Reparatur beziehungsweise den Neubau von Flugplätzen machten. So entstand ein System von Advanced Landing Grounds (AGLs) - vorgeschobenen Hilfsflugplätzen, die über ganz Europa verteilt waren. Über 280 Stück und zum Ende des Krieges viele auch in Deutschland. Aus Gründen der Sicherheit und Geheimhaltung bekamen sie keine Namen.
Eine geographische Zuordnung ohne Schlüssel war nicht möglich. Stattdessen gab es ein System aus Buchstaben und Ziffern. Für den europäischen Kriegsschauplatz (ETO) waren dies A-, Y- oder R- mit der Nummerierung jeweils von 1-99. Von ihnen starteten die Jägergruppen der 9. USAAF, aber auch die Transportflugzeuge der IX TCC, des IX. Troop Carrier Command.
Am D-Day war dieses Transportkommando mit etwa 1300 Transportflugzeugen ausgestattet. Zum Vergleich: Die 8. USAAF und 9.USAAF verfügten zusammen in etwa über 4000 Flugzeuge.
Einer dieser ALGs hatte die Bezeichnung R-1, Wenigenlupnitz. Er lag etwas südlich vom heutigen Flugplatz Kindel, den es in dieser Form damals noch nicht gab. Er diente ausschließlich als S&E(Supply and Evacuation - Versorgung und Evakuierung) Flugplatz. Kampfgruppen waren dort nicht stationiert. Trotzdem ging ausgerechnet bei einem Landeversuch auf R-1 ein, vielleicht das letzte Flugzeug, durch Kampfhandlungen in unserer Heimat verloren.
In den ersten 20 Tagen im April 1945 flog das IX Troop Carrier Command über 35.900 Verwundete und 451.000 amerikanische, englische, französische, russische und polnische Kriegsgefangene aus Deutschland aus. Gleichzeitig wurde die Front beliefert.
Auch am 10. April 1945 wurden solche Flüge durchgeführt. Eine C-47 Transportmaschine der 441. Gruppe, 100. Squadron flog in Begleitung einer zweiten Maschine von Dreux, Frankreich, bei strahlend schönem Wetter nach Deutschland. Ziel war R-1, Wenigenlupnitz. Als sie bereits im Landeanflug waren schossen die Bodenmannschaften rote Leuchtkugeln ab. Das bedeutete : Gefahr! Durchstarten! Während das zweite Flugzeug diese Aufforderung ignorierte und sicher landete, drehte die andere Maschine ab und wollte einen zweiten Landeanflug einleiten, als es plötzlich geschah. Deutsche Jäger waren aus dem Nichts aufgetaucht, eröffneten das Feuer und die C-47 A stürzte in einem Feuerball zu Boden. Alle fünf Besatzungsmitglieder starben: Pilot Capt. Merril A. Meaker ; Co-Pilot Lt. Robert H. Maneman ; Navigator Lt. Robert I. Franzen ; Bord Ingenieur Cpl. Michael P. Barbero und der Funker C.A. Smith.
Dem MACR # 13746 ist weiterhin zu entnehmen‚ dass der Absturz sich etwa um 12.25 Uhr nördlich von Ettenhausen ereignete. Das Flugzeug hatte den Spitznamen: T-ESS, die Squadron-Kennung 6 B und die Serien Nummer 42-101020.
Die Geschichte dieses auch „Skytrain“ genannten Flugzeugs reichte zurück bis zur Landung in der Normandie. An Position Nummer 37 setzte sie mit der gleichen Besatzung wie die, die in Eisenach starb am 06. Juni um 01.26 Uhr in der Operation Albany das Zweite und Dritte Bataillon der 501. Fallschirmjäger Infanterie Division in der Landungszone D ab. Also im Raum Angoville-Les Droueries , nördlich von Carentan. Sie war bei Arnheim ebenso dabei wie bei der Entsetzung von Bastogne sowie den Landungen am rechten Ufer des Rheins.
Es ist anzunehmen, dass Fritz Koal oder Hans Stenglein von der 6./JG 27 diesen Luft-Sieg für sich verbuchen konnten. Obwohl Fritz Koal in seiner Biographie nichts davon erwähnt, ist er, wie auch Hans Stenglein um 12.29 Uhr für den Abschuss einer C-47 bei Langensalza gelistet. Das JG 27 setzte sich zu dieser Zeit allerdings schon Richtung Norden ab, wo es letzte Kämpfe gegen die Sowjetische Luftwaffe führen musste.
Weitere alliierte Verluste gab es in unserer Heimat noch bis zum 11. 05. 1945 in Wenigenlupnitz, Gotha, Dankmarshausen, Langensalza, Weimar und Eschwege. Allerdings nicht in Folge von Kampfhandlungen sondern in Folge von Unfällen.
Eberhard Hälbig
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