Das frühere Dorf Harstall wiederentdeckt - archäologische Erkenntnis aus dem Mihlaer Tal - Teil 2 

Noch im Jahre 1349/50 saß ein Ulrich von Harstall im gleichnamigen Dorf.  

Im Lehnbrief Friedrich des Strengen besitzt jener Ulrich von Harstall im Ort fünf Hufen Land und fünf Talente zu Lehen vom Landgrafen (Vgl. Das Lehnbuch Friedrich des Strengen, Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen, 1349/50, Hrsg. Von W. Lippert und W. Beschorner, Leipzig 1903, S. 188). 

Dieser Umstand verweist zum einem auf eine Kleinsiedlung, aber auch darauf, dass der Ort, der nur einhundert Jahre später in der Kaufurkunde der Herren von Harstall für Mihla bereits als „wüst“ bezeichnet wird, noch bewohnt war und es offenbar dort einen Rittersitz gab. Dieser Rittersitz, dessen Lage sich nach genauer topographischer Betrachtung nur auf dem Eierberg befunden haben kann, war der erste Burgsitz der Harstallfamilie. 

 

Blick aus westlicher Richtung auf die hintere Harstallwiese und den Eierberg (dunkel gefärbter Waldabschnitt in der Bildmitte). Die gelbe Markierungsstange kennzeichnet den 1990 angelegten Graben für die Erdgasleitung, in deren Bereich die Siedlungsreste gefunden wurden. Der Graben verläuft vom Standort weiter stark nach links in Richtung Straße, um diese zu queren, Foto Autor. 

Die enge Tallage und der Wasserreichtum in dieser Gegend lassen eine Besiedlung nur an halber Hanglage oberhalb des Artelbaches zu. Der heutige Talweg quert teilweise den alten Siedlungsbestand und kann durchaus die alte Trassenführung kennzeichnen. Flurnamen kennzeichnen die bauliche Situation: Die Harstallwiese und der Hörschelborn verweisen auf den Standort des alten Dorfes, wobei der durch viele Legenden bekannte Hörschelborn durchaus Standort des früheren Dorfbrunnens gewesen sein kann. Unweit vom Hörschelborn beginnt das „Alte Feld“.  

Auch hier lässt sich eine frühere landwirtschaftlich genutzte Fläche des Dorfes Harstall vermuten, die noch nach dem Eingang des Dorfes, vermutlich in der Wüstungsperiode nach dem Pestjahr 1347, vom benachbarten größeren Ort Mihla aus weiterbearbeitet wurde. Gleichzeitig veränderten sich die Führung der Hauptstraßen. Die schwierige Verbindung über Harstall und das Reckenbühl stand bald im Schatten neuer Straßen, die Mühlhausen und Langensalza mit dem Werratal, der auf dem Fluss betriebenen Schifffahrt und dem Ableger der „Königsstraße" bei Creuzburg verbanden. 

Von Mihla her ist das Tal des Artelsbaches (auch hier ein indirekter Hinweis auf eine frühere landwirtschaftliche Nutzung im Talbereich, denn Artelland bezieht sich sprachgeschichtlich auf „gutes Ackerland") vom „Propel", dem alten Gerichtsplatz der Landgrafen, dem „Brachbuhel", dem Platz, „an dem der Stab gebrochen wird", also das Gericht tagt, zu erreichen. Über den Höhenrücken verläuft noch heute der Talweg, ehe er dann die Nähe des Artelsbaches sucht und beinahe parallel, aber immer höher gelegen als der durchaus viel Wasser führende Bach verläuft. 

 

Blick auf die Harstallwiese, dem Standort der mittelalterlichen Siedlung Harstall. Rechts, in der tiefsten Stelle, verläuft der Artelbach, die Siedlung erstreckte sich nach links auf dem kleinen Höhenrücken in Richtung Talstraße und über diese hinweg entlang des Hanges. Die Erhebung des Eierberges ist gut über dem rechten Stallgebäude auszumachen, Foto Autor.  

Die Siedlung Harstall lag an der Nordseite des Tales, schon auf einer kleinen Anhöhe des Wernershäuser Berges. Dort wurden die Siedlungsreste 1990 gefunden, geschützt vor dem Hochwasser des Baches, dessen Sturzfluten noch in neuerer Zeit ein Problem darstellten. Im Siedlungsbereich weitet sich das Tal zur Harstallwiese, trotzdem blieb die Anbaumöglichkeit für Getreide sehr begrenzt.  

Einige wenige hundert Meter weiter im Tal, nördlich über der Talsohle der Harstallswiese, erhebt sich der Eierberg. Sein Name ist unklar, könnte von der Bergform angeleitet sein. Dieser Berg beherrscht das gesamte Tal und schon früher vermuteten Heimatforscher, mündlich überlieferten Legenden nachgehend, dort den Standort einer mittelalterlichen Befestigung. Er trennt das „Alte Feld", sicher eine weitere landwirtschaftlich genutzte Fläche, von der Harstallwiese, also dem Ort, ab, markiert aber gleichzeitig die früher mögliche Dorfflur.  

Schon bald nach dem Verlassen des Dorfes muss die kleine Burg auch verfallen sein. Erhalten im Gedächtnis der Menschen hat sich die Erinnerung an die Siedlungen im Mihlaer Tal, die dann in der neueren Zeit zu jener mündlich überlieferten Sage führte, dass „… Mihla einst im Tal gestanden habe und durch die Kriege zerstört worden sei. Die überlebenden Menschen hätten sich dann aufgemacht, und am heutigen Standort das Dorf Mihla gegründet..." ([1] So wurde mir die Sage in meiner Kindheit noch durch Vater und Großvater berichtet). 

Allerdings hatte die Familie von Harstall zu dieser Zeit bereits den Aufstieg aus dem Kreis des kleinen Landadels geschafft und bedeutende Vertreter der Familie saßen als Amtleute und Vertraute des Landgrafen auf der Creuzburg. Vielleicht war jener 1349/50 erwähnte Ulrich von Harstall bereits der letzte am Stammort lebende Vertreter der Familie?      

Rainer Lämmerhirt
- Mihla - 

 

 

Mihla,28. 06. 2017 zurück zur Chronikübersicht