Das Jahr 1928 - Bürgermeisterskandal, KFZ-Park und Unfälle
 
 
Januar
 
- Ein strenger Winter im Werratal. Auf der Werra ist starker Eisgang. Die Eisschollen werden zu einer Gefahr für die Brücken und müssen deshalb gesprengt werden. Dies besorgt der Technische Notdienst.
 
- Am 21. Januar verschwindet der Mihlaer Bürgermeister Friedrich Märten zunächst spurlos aus seinem Amt. Wenige Tage später wird er in Eisenach verhaftet. Inzwischen wird ihm Unterschlagung vorgeworfen. Da er eine Pistole bei sich trägt, geht man auch von Selbstmordabsichten aus. Einer der größten politischen Skandale in Mihla beginnt (Siehe Abschnitt "Skandal um den Mihlaer Bürgermeister").
 
- Die Zeitungen sind voll über die Vorgänge in Mihla. Ende Januar bricht die SPD- Ortsgruppe ihr Schweigen und versucht mit einer Pressemitteilung die "Flucht nach vorn". So ist zu erfahren daß bereits der ehemalige Landrat Hörschelmann (SPD) vom Gemeinderat, in dem die SPD die Mehrheit hat, zum hauptamtlichen Beigeordneten gewählt wurde. Er habe seine Amtsgeschäfte bereits angetreten und soll diese bis zur Klärung der Vorwürfe gegen Märten bzw. bis zur Neuwahl eines Bürgermeisters führen.
 
- Die "Opposition" in Mihla formiert sich. Märten werden Unterschlagung von 10.000 RM Gemeindegeldern vorgeworfen. Es gehe aber auch um die Rolle seiner Parteifreunde, die das lange Zeit geduldet hätten.
 
- Am 31. Januar findet eine Einwohnerversammlung im "Mohren" statt zu der die Orts- SPD eingeladen hatte. Viele persönliche Vorwürfe werden vorgetragen, die Forderung der Opposition nach sofortigen Neuwahlen in Mihla wird lauter und schließlich geht man ohne Ergebnisse, aber völlig zerstritten, nach Hause. Der politische Skandal spaltet den Ort in zwei Gruppen, die sich fortan mit aller Härte bekämpfen.
 
Februar
 
- In Mihla werden Unterschriften gesammelt, um eine Auflösung des Gemeinderates zu erlangen.
 
- Der hauptamtliche Beigeordnete Hörschelmann wird vonTeil die Gemeinde Mihla zuständig ist. Die Gemeinde verweist darauf, daß der Weg in erster Linie durch die Holztransporte der Firma Wüstefeld und Kraft zerstört wird.
 
- Das schöne Sommerwetter führt zu einem regen Badebetrieb im Mihlaer Werrabad des Schwimmvereins.
 
- Die Belebung in der Zigarrenindustrie hält weiter an. Die Firma Tatmann aus Leipzig will in Mihla eine Filiale errichten und 120 Arbeiter einstellen.
 
- Nach längerer Krankheit, Sanatoriumsbesuch und anderes, nimmt der in Mihla beliebte Arzt Dr. Evers seinen Dienst wieder auf.
 
- Mitte Juli verstirbt Tischlermeister Heinrich Böhnhardt, der lange Zeit als Friedensrichter wirkte und zudem im Gemeinderat arbeitete. Er war Mitglied der Feuerwehr, aktiv in der Sanitätskolonne, im Bienen- und Landwirtschaftsverein tätig und arbeitete in der Darlehenskasse.
Besonders gewürdigt wird sein Verdienst als Bezirksbrandmeister. Er hatte großen Anteil daran, daß Mihla eine neue Motorspritze und nun auch ein Spritzenhaus bekommt. Die Gemeinde erlebt eine bewegende Trauerfeier. Allgemein wird bedauert, daß er die Einweihung des neuen Spritzenhauses nicht mehr miterleben konnte.
 

August
 
- Die Bauarbeiten am Spritzenhaus gehen gut voran. Das alte Gebäude, die "Hütte", soll nicht abgerissen werden, sondern die ausgediente Spritze beherbergen.
 
- Der Wahlkampf um die Neuwahl des Bürgermeisters, für den 8. September vorgesehen, beginnt. Der Bürgermeister wird indirekt durch den Gemeinderat gewählt und dort hat die SPD die Mehrheit...
Kandidat der SPD ist der ehemalige Landrat Hörschelmann. Im Rat sitzen 6 SPD- Mitglieder und 5 Bürgerliche. Die Opposition schlägt vor, Mihla brauche keinen hauptamtlichen Bürgermeister, man könne Geld sparen, wenn ein ehrenamtlicher Bürgermeister gewählt würde.
 
- Am 26. August findet die "Werraschwimmfahrt" statt. Ausrichter ist diesmal der Schwimmverband Nord- West- Thüringen. Geschwommen wird über zwei Strecken: 3000 und 2000 Meter, anschließend findet ein Strandfest, Paradeschwimmen und Turmspringen statt.
Die Schwimmfahrt von 1928 entwickelt sich zu einem neuen Teilnehmerrekord.

- Ein schwerer Verkehrsunfall an der Brücke über den Artelbach ereignet sich. Ein mit vier Arbeitern besetzter Laster stürzt über das Brückengeländer in die Tiefe. Zum Glück gibt es keine Toten. Diesen Unfall nutzt der Mihlaer Arzt der Sanitätskolonne, Dr. Köhler, um eine entsprechende Übung durchzuführen. Ein möglicher Unfall wird zudem noch auf die Nachtstunden verlegt. Die Mihlaer Sanitätskolonne schneidet bei der Auswertung der Übung gut ab.

- Die Staatsstraße Neukirchen - Mihla wird grundhaft ausgebaut. Von einem Steinbruch an der Petersliete wird Packlager herangeschafft und eingebaut.

September/Oktober

- Die Neuwahl des Bürgermeisters am 8. September bringt folgendes Ergebnis: Der bisherige Beigeordnete Hörschelmann wird mit den 6 Stimmen der SPD gewählt, die 5 Gemeinderäte der Opposition haben vor der Wahl den Sitzungsraum verlassen und wollen nun gegen die Wahl klagen. Ende des Monats wird der Bürgermeister allerdings durch die Aufsichtsbehörde bestätigt. Er tritt sein Amt am 1. Oktober 1928 an.

- Die Berufsschule im Wohnhaus Schuchardt am Ölberg soll erneuert werden.

- Dr Evers verunglückt mit seinem Auto am Bahnübergang Frankenroda schwer. Sein Wagen wird vom Zug erfaßt.

- Die Zigarrenfabrik Brinkmann aus Bremen will in Mihla im Wohnhaus Böhnhardt am Markt eine weitere Filiale einrichten.

- Am 15. Oktober leitet der neue Bürgermeister Hörschelmann die erste Sitzung des Bauausschusses. Damit beginnt ein neuer Stil der parlamentarischen Arbeit. Der direkte Einfluß des Verwaltungsfachmannes Hörschelmann kommt der Gemeinde bald zugute. Vor allem im Bauausschuß werden viele richtungsweisende Entscheidungen auf den Weg gebracht.

- Der Bauausschuß genehmigt den Antrag des Heinrich Wuth auf Anbau an seinem Haus (Bäckerei) zum Zwecke der Errichtung einer Kaffeewirtschaft.


November/Dezember

- Die Gemeinden Mihla und Lauterbach bilden einen Zweckverband zur Erweiterung des Wasserleitungsnetzes.

- Der Gendarm Stammberger ist 44 Jahre im Dienst.

- Auf der Werra wird ein außerordentlich starker Floßbetrieb gemeldet.

- Die Mihlaer SPD begeht den Revolutionstag auf dem Saal des Gasthofes "Zum Mohren". Die Festrede hält Bürgermeister Hörschelmann. Die Veranstaltung wird vom Männergesangsverein und von Sportdarbietungen umrahmt.

- Zum politischen Abschluß dieses turbulenten Jahres finden Wahlen zum Gemeinderat statt.Sie bringen folgendes Ergebnis:

- Bürgerliche Einheitsliste: 378 Stimmen
-SPD: 557 Stimmen
-KPD: 14 Stimmen
-Zentrum: 10 Stimmen
-Beamte: 54 Stimmen.

Damit konnte die SPD ihren Stimmenvorteil weiter ausbauen.

- Im Dezember wird eine Einwohnerzählung durchgeführt. Danach hat Mihla 2191 Einwohner, davon 1098 männliche, aufzuweisen. 1928 standen 53 Geburten 30 Sterbefällen gegenüber.

- In Mihla sind offiziell 5 PKW, 9 LKW, 4 Busse und 2 Traktoren zugelassen.

- Der Gemeinderat diskutiert erneut über eine Verlegung des Friedhofes an den Ortsrand. Der dazu nötige Aufkauf von Grundstücken kommt allerdings nicht zustande.

- Am Wohngebiet Teichwiese werden weitere Grundstücke vermessen. Demnächst sollen dort weitere Bauplätze entstehen.

- An der Schornstraße wird ein Gehweg gebaut. In diesem Zusammenhang trägt Bürgermeister Hörschelmann vor, dort mehrere "Beamtenhäuser" durch die Gemeinde bauen zu lassen.

Grundsätzlich einigt sich der Bauausschuß darauf, bei der Neuanlage von Straßen, zum Beispiel an der Teichwiese und in der Schornstraße, eine Mindestbreite von 12 Metern anzusetzen, um auch eine beidseitige Anlage von Gehwegen und Bepflanzungen zu ermöglichen (heutige "Rosenallee").

Der Steinhauer Emil Berz erhält die Genehmigung, ein neues Wohnhaus in der Bahnhofstraße zu errichten.

- Die beiden hölzernen Werrabrücken werden für 2589 RM nochmals repariert.