Eine Erinnerung an das wichtigste Ereignis im Werratal vor 114 Jahren 

Dieser Tage hatte ich Besuch im Museum im Mihlaer Rathaus. Herr Harald Wehr aus Eisenach interessierte sich sehr für Teile der Ausstellung und brachte auch noch eine Überraschung mit:

Eine Festordnung zur Einweihungsfeier der Eisenbahn Treffurt-Hörschel vom Sonntag, dem 13. Oktober 1907, also vor beinahe genau 114 Jahren! 

Diese Festordnung mit dem genauen Ablauf der Eröffnungsfeier, die damals in den verschiedenen Bahnhöfen einige tausend Menschen in Aufregung versetzte, enthielt auch den Programmablauf des abschließenden Festessens im Creuzburger Rathaus am Markt mit der Abfolge des Musikprogramms, den Essenfolgen und sogar eine Übersicht der erlesenen Weine, die damals gereicht wurden. Sicherlich erhielt damals jeder der Teilnehmer eine solche Broschüre, die nun im Mihlaer Rathaus zu besichtigen ist. 

Vielen Dank an Herrn Wehr! 

   

Nachdem mit viel Verspätung der Sonderzug mit den Ehrengästen von Eisenach bis Treffurt gefahren war, an jeder Station und jedem Bahnhof gab es Festreden und Musikbeiträge, kam dieser schließlich wieder zurück nach Creuzburg. Was dann geschah ist gut überliefert. 

Auch in Creuzburg war das neue Bahnhofsgebäude festlich geschmückt. In „geschlossenem“ Zuge ging es vom Bahnhof, begleitet von zwei Musikkorps, durch die Stadt bis zum Marktplatz. Im dortigen Rathaus war die eigentliche Festveranstaltung mit anschließendem Festessen vorbereitet. Während es sich die Honoratioren im Rathaussaal gut gehen ließen - auf der Speisekarte standen Karpfen und Aal blau mit Butter, Meerrettich und Kartoffeln, Leipziger Allerlei und Kalbsschnitzel, Rehbraten und Salate und zum Dessert Eis in Schalen, flankiert von edlen Mosel- und Rheinweinen - zog auf dem Rathausplatz Volksfeststimmung ein. Hier vergnügten sich auch zahlreiche Bauarbeiter, die eigentlichen Helden des Bahnbaus, die man mit einigen Fässern Bier abgefunden hatte. 

Die Musikkapellen im Festsaal intonierten Eröffnungsmärsche und bekannte Volkslieder, natürlich fehlte auch die Kaiserhymne nicht, ehe dann das von zahlreichen Toasts und Grußworten unterbrochene Programm mit einem Stück aus „Hoffmanns Erzählungen“ seinen Abschluss fand. 


Empfang des Sonderzuges am Creuzburger Bahnhof. 

Von den Grußworten rückte die Presse u. a. die Ansprache des Mihlaer Rittergutsbesitzers und Nervenarztes, Hofrat Professor Binswanger, in den Mittelpunkt. Er hatte das Glas auf den Bauleiter, den Bauinspektor Bergmann, erhoben. 

Bürgermeister Hagedorn, seit seiner Frankenrodaer Begrüßungsrede in aller Munde, fand nochmals Dankesworte für die Gothaer Staatsregierung… 

Erst am späten Abend verließ der Sonderzug mit der Festgesellschaft Creuzburg, um nach Eisenach zurückzufahren. Die Bewohner der Werraorte feierten indessen noch lange weiter und hatten wohl die Hoffnung, dass es mit der am nächsten Tag beginnenden Betriebseröffnung und dem nun hoffentlich alsbald auf der Stecke einziehenden Alltag mit der Werratalregion rasch aufwärts gehen würde… 

Rainer Lämmerhirt

Die Fahrt des Sonderzuges zur Eröffnung der Eisenbahnlinie Eisenach-Creuzburg-Mihla-Treffurt im Oktober 1907 

Wir hatten unlängst über die Feierlichkeiten bei der Eröffnung der Eisenbahnlinie im Creuzburger Rathaus berichtet. Heute gehen wir noch um einige Stunden zurück. Im Mittelpunkt steht die Fahrt des Sonderzuges, im ersten Teil von Eisenach bis Mihla. 

Also, zurück zum Oktober 1907, die feierliche Eröffnung der Strecke stand bevor… Alle Menschen im Werratalsind freudig erregt und doch ungewiss, über das, was kommt… 

Pünktlich um 10.12 Uhr setzte sich der exklusive Festzug mit geschmückten Sonderwagen von Eisenach aus in Bewegung. Der Zug bestand aus einem Salonwagen der Eisenbahndirektion, zwei Wagen 2. Klasse und sechs Wagen 3. Klasse. Unklar ist, welcher Maschinentyp den Zug voranbrachte. Die erhaltenen Fotos, für die der Eisenacher Fotograf Hermann verantwortlich war, zeigen zwar ganz genau fotografierte Aufnahmen über das Geschehen auf den einzelnen Bahnhöfen, jedoch nie den Zug als solchen. 

Der Sonderzug, mit an Bord die Bürgermeister Zimmer und Baumbach, durchfuhr also die Stationen Eisenach-West und Hörschel und machte dann den ersten Halt auf der neuen Station Wartha. Hier begrüßte Bürgermeister Altenbrunn den Festzug mit Worten des Dankes an die Erbauer und gab der Hoffnung Ausdruck, „…die neue Bahn möge dem Land zum Segen gereichen…“. 

An der nächsten Haltestelle Pferdsdorf, erwarteten die Mitglieder des dortigen Kriegervereins mit Fahne, die Schuljugend und einige „Ehrenjungfrauen“ die erste Fahrt der Werrataleisenbahn. Die Ansprache hielt Pfarrer Hartenstein. 

Die Empfangsfeierlichkeiten steigerten sich nun weiter von Ort zu Ort. In Creuzburg erwartete eine Hunderte von Menschen zählende Menge den Zug. Sämtliche Vereine der Stadt mit Fahnen, die Schüler mit ihren Lehrern und wiederum „Ehrenjungfrauen“ bildeten am Bahnhof ein Spalier für die Ehrengäste. Ein Musikkorps intonierte beim Einlaufen des Zuges „Heil Dir im Siegerkranz“ und die Creuzburger „Liedertafel“ begrüßte die Ankommenden mit einem „Festgesang“. Bürgermeister Zimmer hielt eine Ansprache. Unter Jubel, Hurrarufen und Musik verließ der Festzug, inzwischen schon mit erheblicher Verspätung gegenüber dem zentral festgelegten Zeitplan, den Bahnhof Creuzburg und machte sich auf den gut acht Kilometer langen Weg bis zum nächsten Halt in Mihla. 

Abermals begrüßten in Mihla wohl alle Einwohner, die den langen Weg bis zum Bahnhof in Angriff nehmen konnten, den lang erwarteten Zug. Gesang und Musik erklangen, sämtliche Vereine waren aufmarschiert, auch in Mihla gab es Ehrenjungfrauen und, da gerade Kirmes abgehalten wurde, Kirmesburschen in den traditionellen Husaren- und Ulanenuniformen! 


Der Sonderzug hat gegen 11.00 Uhr Creuzburg erreicht. Der Eisenacher Fotograf Hermann fotografierte die Begrüßungsszenen vom Dach des Salonwagens aus. 

In seiner Begrüßungsansprache entbot Pfarrer Kötschau den Gruß und den Dank der Gemeinde. Welche Arbeit der Bahnbau gekostet habe, wüsste die Gemeinde am besten, denn gerade Mihla hätte recht regen Anteil genommen an der Verwirklichung des Planes, meinte jedenfalls Pfarrer Kötschau. Daher begrüße er mit besonderer Freude die Vorteile für die Förderung der Kultur des Landes durch die neue Bahnlinie. Er hoffe, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ortes in der erwarteten Weise verbessern mögen. Mit Dankesworten für das Wohlwollen der Staatsregierung verband der Redner ein „…begeistert aufgenommenes Hoch auf den deutschen Kaiser und auf den Großherzog“. 

Die Musikkapelle stimmte die Kaiserhymne an und in bewegten Worten gab der Geheimrat Slevogt als Vertreter der Staatsregierung seiner Freude über den freundlichen Empfang Ausdruck. Er wünschte der Gemeinde Mihla Glück zu dem neuen Verkehrsmittel. 


In Mihla ist beinahe das gesamte Dorf zur Eröffnung des Zugverkehrs zum Bahnhof geeilt. Zudem ist in dem Werraort gerade Kirmes. Deshalb werden die Gäste von einer Abordnung der berittenen Kirmesburschenschar mit Husaren und Platzmeistern begrüßt. 

In anerkennender Weise hatte die Gemeinde durch den Einsatz ihres Bürgermeisters Baumbach für das leibliche Wohl der Festteilnehmer gesorgt, denn sie entbot als besondere Ehrengabe allen Teilnehmern ein pikantes Frühstück mit einem vorzüglichen Tropfen Rebensaft, wie der Reporter der „Eisenacher Tagespost“ anerkennend lobte. Diesem wurde dann auch reichlich zugesprochen, wodurch der Fahrplan endgültig zusammenbrach. Bis nach Treffurt und dann zurück zur Creuzburger Festtafel war es noch ein langer Weg! 

Gegen 12.00 Uhr verließ der Sonderzug schließlich Mihla und überfuhr die Werrabrücke, wo abermals viele Menschen das Schauspiel beobachteten. Entlang der Werra ging es nun weiter zum Haltepunkt bei Frankenroda. 


In Frankenroda gab es eine erste Besonderheit. Dieser Ort gehörte zum Herzogtum Gotha und daher war extra der Staatsminister Richter herbeigeeilt, um die Honoratioren zu begrüßen. 

Die eigentliche Begrüßungsrede hielt allerdings der Frankenrodaer Bürgermeister August Hagedorn. Gerade diese Rede wurde später von der Presse immer wieder zitiert und beeindruckte alle Anwesenden, weil in einfachen Worten die unterschiedlichen Gefühle, Hoffnungen und Befürchtungen der Dorfbewohner zum nunmehr erfolgten Bahnanschluss dargestellt wurden. Bürgermeister Hagedorn führte u. a. aus: „Nur zwei Worte sind´s: Dank und Freude. Jahrhunderte hindurch hat unser Ort weltvergessen und weltverlassen in seinem stillen Tale zwischen Berg und Wald gesteckt. Seine Bewohner haben oftmals neidisch hingeblickt auf andere Gegenden, die dicht mit Eisenbahnen besät sind…, wir haben auch manchmal tüchtig geschimpft auf den preußischen Staat, der uns keine Eisenbahn baute. 

Das Dampfross kommt und windet sich im lang gestreckten Tale, den Werrafluss auf vielen stolzen Brücken überspringend, durch anmutige Fluren und ladet uns ein, mitzufahren in die weite Welt. 

Was sollte es da wohl anders sein, als Dank und Freude, was heute unsere Herzen empfinden?“ 

Ein weiterer Höhepunkt wurde erreicht, als ein junges Mädchen in Frankenrodaer Tracht vortrat und ein selbst gefertigtes Gedicht vortrug: 

„Ich bin ein Kind aus diesem stillen Ort,

komm gar nicht aus dem Elternhaus fort,

Konnt´ deshalb keinen Mann für mich hier finden,

wer sucht auch eine Frau bei uns dahinten?

Nun aber kommt die liebe Eisenbahn,

da fahr ich mit und such mir einen Mann!

Hurra, die Freud´, wie tut mich das beglücken,

drum will ich auch das Dampfroß schmücken!“ 

Bei diesen Worten wollte der offensichtlich gerührte Geheimrat Slevogt den Salonwagen verlassen und auf das Mädchen zueilen. Dies wurde ihm aber unmöglich, da die letzten Worte des Mädchens, das Dampfross zu schmücken, als Zeichen verabredet war, den Zug mit einem Hagel von Blumensträußen zu bewerfen und festlich zu verschönern… 

Nach diesen Ereignissen ging die Fahrt weiter durch das Werratal bis nach Falken Hier wurde der Festzug von Vertretern der preußischen Regierung begrüßt, denn nun hatte man die Exklave des Herzogtums Gotha bereits wieder verlassen und preußisches Staatsgebiet erreicht. In den Festreden kam zum Ausdruck, dass die neue Eisenbahnlinie die drei Länder Weimar, Gotha und Preußen auch zukünftig noch fester miteinander verbinden möge! 

Ein letzter Höhepunkt wurde in Treffurt, dem Endbahnhof der Strecke und dem Anschlusspunkt für die Bahn nach Eschwege, erreicht. Hier war der Empfang besonders herzlich. Bürgermeister Bernhard erwähnt in seiner Rede die Tatsache, dass Treffurt bis vor wenigen Jahren überhaupt noch keine Bahn gesehen habe, heute aber kreuzten sich im Ort zwei für die Zukunft wichtige Linien. Eisenbahndirektor Todt aus Erfurt erwiderte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Treffurt eine dritte Bahn, die nach Mühlhausen, erhalten werde.     


Die Vertreter der preußischen Staatsregierung begrüßen den Festzug bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof Falken. 


Der Sonderzug erreicht den Bahnhof Creuzburg. 

Von Treffurt aus erfolgte die Rückfahrt nach Creuzburg. Auch in Creuzburg war das neue Bahnhofsgebäude festlich geschmückt. In „geschlossenem“ Zuge ging es vom Bahnhof, begleitet von zwei Musikkorps, durch die Stadt bis zum Marktplatz. Im dortigen Rathaus war die eigentliche Festveranstaltung mit anschließendem Festessen vorbereitet. Während es sich die Honoratioren im Rathaussaal gut gehen ließen (wir berichteten) zog auf dem Rathausplatz Volksfeststimmung ein. Hier vergnügten sich auch zahlreiche Bauarbeiter, die eigentlichen Helden des Bahnbaus, die man mit einigen Fässern Bier abgefunden hatte. 

Die Musikkapellen im Festsaal intonierten Eröffnungsmärsche und bekannte Volkslieder, natürlich fehlte auch die Kaiserhymne nicht, ehe dann das von zahlreichen Toasts und Grußworten unterbrochene Programm mit einem Stück aus „Hoffmanns Erzählungen“ seinen Abschluss fand. 

Von den Grußworten rückte die Presse u. a. die Ansprache des Mihlaer Rittergutsbesitzers und Nervenarztes, Hofrat Professor Binswanger, in den Mittelpunkt. Er hatte das Glas auf den Bauleiter, den Bauinspektor Bergmann, erhoben. Bürgermeister Hagedorn, seit seiner Frankenrodaer Begrüßungsrede in aller Munde, fand nochmals Dankesworte für die Gothaer Staatsregierung… 

Erst am späten Abend verließ der Sonderzug mit der Festgesellschaft Creuzburg, um nach Eisenach zurückzufahren. Die Bewohner der Werraorte feierten indessen noch lange weiter und hatten wohl die Hoffnung, dass es mit der am nächsten Tag beginnenden Betriebseröffnung und dem nun hoffentlich alsbald auf der Stecke einziehenden Alltag mit der Werratalregion rasch aufwärts gehen würde… 

Rainer Lämmerhirt