Neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte unseres Ortes Mihla - Mihla könnte sich aus zwei Ansiedlungen heraus entwickelt haben - Teil 1 

In der Mitte des 13. Jahrhunderts kam es in unserer Region zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen zwei Landesherren. Die Landgrafen auf der Wartburg versuchten damals, ihr Herrschaftsgebiet gegen die älteren Rechte des Erzbistums Mainz durchsetzen und klare Grenzen zu ziehen. Dies gelang den Landgrafen schließlich und die Einflüsse des Mainzer Erzstiftes wurden auf das Eichsfeld zurückgedrängt. 

Das geschah nicht ohne den heftigen Widerstand der Mainzer Erzbischöfe. Sie ließen in der Mitte des 13. Jahrhunderts ihre alten Rechte schriftlich fixieren, um so diese Ansprüche besser behaupten zu können. 

So entstand die "Heberolle", eine Aufzählung Mainzer Rechte und Einkünfte in der Werraregion und in Thüringen, die 1248/49 im Auftrage des Erzbischofs Siegfried III. aufgezeichnet wurde. Dieser Heberolle verdankt unser Ort Mihla eine seiner frühen schriftlichen Erwähnungen. Aber wo lagen die damals für Mihla genannten Güter und Einkünfte tatsächlich? 

Betrachten wir die Zusammenhänge: Im Mainzer Güterverzeichnis wurden für Mihla genannt 7 1/2 Hufen, die 3 Mark an das Erzstift zahlen, 40 Hofstätten, ebenfalls mit Abgaben belegt, eine Mühle, die Münze, die einen Schlagschatz von 1 Mark zu zahlen hat, der Zoll sowie die Fischereirechte, die der Vogt vorenthält, und das ganze Gericht. „Istud officium totum habet plebanus pro V marcis? (die Mihlaer Kirche betreute fünf weitere Orte). [1] 

Damit taucht erstmals eine grobe Vorstellung vom Aussehen und der Größe Mihlas aus dem Dunkel der Geschichte auf. 40 Hofstätten, die Abgaben zu leisten haben, also abhängige Bauern, dazu 7 1/2 Hufen, die wohl zum Wirtschaftshof des Erzbistums zählen, eine Münze, Mühle, Fischereirechte und das von Mainz eingesetzte Gericht, alles verwaltet von einem Vogt, dem Vorsteher des Mihlaer Tafelgutes des Erzstiftes. 

Mihla zählte damit neben den ebenfalls in der Heberolle aufgezählten Gütern in Gottern[2], Dorla[3] und Falken[4] zu den vier wichtigsten Tafelgütern in Westthüringen. 40 Hofstätten ergaben bereits eine recht hohe Bevölkerungszahl. Setzt man je Hofstätte eine durchschnittliche Bewohnerzahl von sechs Personen an und bezieht die genannte Mühle sowie den als Wirtschaftszentrum mit 7 1/2 Hufen genannten erzbischöflichen Hof hinzu, dürfte man auf eine Einwohnerzahl von mindestens 300 Personen kommen. 

Unklar ist dabei, ob die 1248/49 dem Mainzer Tafelgut zugehörigen Güter und Hofstätten nicht noch durch jene erweitert werden müssen, die 1243 für 800 Silbermark, eine beachtliche Summe, an den Truchsess von Schlotheim verpfändet worden sind, oder ob mit dem Aufsetzen der Heberolle 1248/49 der Mainzer Versuch zu sehen ist, alle Rechte, auch die eventuell verpfändeten, zu beschreiben. Dies kann vorerst nicht abschließend geklärt werden, drängt aber die Vermutung auf, dass in der Mitte des 13. Jahrhunderts durchaus zwei "politische" Siedlungen auf engen Raum nebeneinander bestanden haben können, einmal die zu Mainz gehörige Abhängigensiedlung, sowie die Güter und Höfe, die der landgräfliche Truchsess von Schlotheim besaß und die wohl früher der adligen Familie, den "Herren von Mihla", gehörten. Ihr Burgsitz wird im heutigen „Grauen Schloss“ vermutet.   

Wie stark sich Mihla zu dieser Zeit bereits als regionales Zentrum entwickelt hatte, macht die Nennung einer Münze deutlich.  

Die vorherrschende Wirtschaftsform hatte zur Folge, dass Münzen, sogenannte Brakteaten (Hohlpfennige), nur für das Einzugsgebiet des jeweiligen Marktes geschlagen wurden. Damit wird sichtbar, wenn in der Mainzer Heberolle eine Münzstätte für Mihla erwähnt wurde - übrigens die einzige in den Thüringischen Gütern außer in Mühlberg - dann war der Ort Zentrum des Fernhandels, gab es regelmäßige Märkte, wohl Jahrmärkte. 

Für die tatsächliche Existenz einer Münze in Mihla sprechen eine Reihe von Fakten. Zunächst schließt der jährlich an Mainz abzuführende Schlagschatz von 1 Mark Silber (= 240 Pfennige) auf eine hohe Produktivität einer solchen Münze. Letztlich geht auch die bereits im 16. Jahrhundert geläufige Straßenbezeichnung „Am Markt" auf einen mittelalterlichen Marktplatz zurück und schließt damit auch das Vorhandensein einer zugehörigen Münzstätte ein. Als geeinter Platz für das Abhalten solcher Jahrmärkte bot sich das Gelände südöstlich vor der Kirche an. Sicherlich standen die Markttage im Zusammenhang mit kirchlichen Feiertagen, an denen wegen der Mittelpunktrolle der Mihlaer Kirche immer auch Bewohner umliegender und der Kirche zugeordneter Dörfer anwesend waren. 

Diese Mittelpunktrolle der St. Martinskirche wurde auch in der Mainzer Heberolle von 1248/49 nochmals bestätigt, indem dort der Kirche 5 Orte hinsichtlich der religiösen Betreuung zugeordnet wurden. 


Titelseite der schweizerischen Numismatikzeitschrift Numispost? der Ausgabe 3/12 mit der Überschrift Mihla - eine neue Münzstätte der Stauferzeit? und einem Blick auf die St. Martinskirche sowie zwei der in Mihla geprägten Münzen, Vorlage Dr. Jürgen Wild. 

Es ist den Forschungen von Herrn Dr. Jürgen Wild zu verdanken, die bis 2009 nur als „schriftlich bestätigte? Mihlaer Münzstätte der Mainzer Zeit intensiv untersucht zu haben und dabei den Nachweis erbracht zu haben, dass bisher anderen Münzorten zugerechnete Beischläge in Mihla geprägt wurden. 

Diese Zuordnung von Münzen zur Mihlaer Münze hat sich inzwischen auch in der Fachliteratur durchgesetzt und dazu geführt, dass die Mihlaer Münze nicht mehr angezweifelt wird.[5] 

Natürlich wäre Mihlas Bedeutung als Marktort auch mit seiner Lage am Verlauf mehrerer Handelsstraßen zu erklären. Gerade in jenen Jahren bemühten sich die Landgrafen zudem, auch die Werra für die Schifffahrt nutzbarer zu machen und richteten an mehreren Stellen, so wohl auch in Mihla, Stapelplätze ein.[6] 

Erstmalig wurde im Mainzer Güterverzeichnis eine Mühle genannt. Bei ihr kann es sich nur um die spätere Werramühle gehandelt haben, die, unterschlächtig betrieben, an einem Seitenarm der Werra lag. In diesem Bereich sind zudem die Anlegeplätze für die damalige Werraschifffahrt zu vermuten, lagen sie noch vierhundert Jahre später. 

Natürlich ist die Nennung eines Mainzer Gerichtes von großer Bedeutung. Dabei handelte sich nicht um ein Gericht, welches über die von Mainz abhängigen bäuerlichen Familien zu richten hatte, diese Aufgabe dürfte der ebenfalls genannte Vogt als „laufendes Amtsgeschäft? ausgeführt haben, sondern wir vermuten mit der Nennung des Gerichtes ein überörtliches Gericht, welches als Vorläufer des späteren landgräflichen Dingstuhls des Gerichtes „Brachbühl“ anzusehen ist und auf dem alten Versammlungsplatz „Propel? abgehalten wurde. Noch im 13. Jahrhundert galt dieses Gericht als Mainzer Lehen der Landgrafen.[7] 

Lämmerhirt

[1]  Dobenecker, Otto, Regesten, a.a.O., Bd.III, Nr. 1687.

[2]  Vgl. Ebenda, Nr. 1685.

[3] Vgl. Ebenda, Nr. 1686. In der Güteraufzählung werden auch solche in Kammer-forst und Langula genannt.

[4] Vgl. Ebenda, Nr. 1688. In der Güteraufzählung zu Falken werden weiter Besitzungen in Scherbda und Schnellmannshausen sowie 2 Weinberge einschließlich von vier Hofstätten der Winzer genannt.

[5] Vgl. Wild, Jürgen, Schlotheim oder Mihla? Überlegungen zur Zuordnung Thüringer Reiterbrakteaten mit Raddarstellungen, Manuskript 2009 im Ortsarchiv Mihla und in: Jahrbuch der Gesellschaft für Thüringer Münz- und Medaillenkunde e.V., Nr. 18, Leipzig 2010, sowie ders., Eine neue Münzstätte der Stauferzeit, in: Numispost, Das Schweizer Magazin für Münzen, 3/2012, S. 67ff.

[6]  Vgl. Lückert, Manfred, Die Werra, Bad Langensalza 2006, S. 194f.

[7] Vgl. Beschorner, H., (hg.), Registrum dominarum marchionum Missnensium, 1378, Bd.1, Leipzig und Berlin 1933, S. 61., sowie Patze, Hans, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, a.a.O., S. 307. Zur Dingstätte Brachbuhel gehörten die Orte Lauterbach, Ebenshausen, Frankenroda, Hallungen, Nazza, Heyerode, Romerode (Wüstung), Ichensachsen (Wüstung), MÜnsterkirchen (Wüstung), Berka und Bischofroda sowie sicher auch Mihla, denn Brachbuhel lag auf einem Hügel bei Mihla.