Mihla, Melina, Sandbach, ein Exkurs in die aktuelle Diskussion zum Stand der Ortsnamensforschung am Beispiel von Mihla 

Woher stammen die heutigen Ortsnamen? Für die ältesten Orte, zu denen auch Mihla zählt, ergeben sich folgende Zusammenhänge: 

Seit der Zeitenwende siedelten in Thüringen die elbgermanischen Hermunduren. Dieser Prozess der Konsolidierung germanischer Stämme fand seinen Niederschlag vor allem im Sprachgebrauch. 

Viele uns heute selbstverständliche Orts-, Gewässer- und Flurnamen entstanden in der Zeit der germanischen Landnahme und haben sich bis heute erhalten. 

Dazu zählt das alte Wort „aha? für fließendes Wasser, das auf eine germanische Wortwurzel „ahwa? zurückgeht und mit der lateinischen Bezeichnung für „aqua? = Wasser in der Benennung von Gewässernamen übereinstimmt. Ortsnamen auf -aha oder in den älteren Formen auf -ach, also auch unser Mihla, sind meist in der germanischen Zeit (bis etwa 500 u. Z.) entstanden und dabei immer sekundären Ursprungs, das heißt, der Gewässername wurde auf die Siedlung übertragen. 

Rosenkranz und H. Walther gehen bei der Namensklärung vom althochdeutschem Suffix -aha für fließendes Wasser und der germanischen, vielleicht noch älteren, Wortwurzel -mel- für mahlen oder zerreiben aus. Somit bezeichnet die Wortverbindung einen Ort, der an einem Wasserlauf gelegen ist, in dem Steine und Kies zerrieben oder zermahlen werden.[1] 

Neuere Untersuchungen, vor allem die 2001 bei Professor Dr. Meineke in Jena verteidigte Magisterarbeit von Beate Lex über die Ortsnamen der Thüringer Landeschronik (Codex Gothanus Chart. B 180), zeigt eine weitere Sicht auf die ursprüngliche Bedeutung des Ortsnamens Mihla auf.[2]

Lex geht davon aus, dass bei diesem Typ der Ortsnamen der ursprünglich bereits vorhandene Gewässername auf eine Siedlung übertragen wurde. Dies träfe insbesondere auch für Mihla zu, aber auch für Berka, Erffa, Gotha, Kelbra, Langensalza oder Laucha.[3] Danach hätte der rechtsseitige Zufluss zur Werra, die heutige Lauter, früher den Namen Milina oder Melina (germanisch) getragen mit der Bedeutung der indogermanischen Wortwurzel „mel? =  mahlen für zerreiben für Gestein zu Sand oder Staub. Möglich, so Frau Lex, wäre auch eine Ableitung des indogermanischen -mel für dunkel, schmutzig oder schwarz. 

Diese neuen Ableitungen formen die bereits von Rosenkranz und Walther in den 80er Jahren getroffenen Feststellungen und Vermutungen weiter aus. Unsere Vorfahren lebten mit der Natur und Natureinflüsse hatten große Bedeutung für ihr Leben. Mit der Entstehung einer ersten Siedlung im Bereich der Einmündung der heutigen Lauter in die Werra wurden die an dieser Stelle besonders auffälligen Naturerscheinungen genutzt, um diese neue Siedlung näher zu bezeichnen. 

So spülte das Wasser des kleinen Flüsschens, welches vor über 1000 Jahren durchaus eine weitaus größere Kraft an den Tag gelegt haben dürfte, als das jetzt geschieht, aber auch zu speziellen Hochwasserereignissen noch heute immer wieder beängstigend aufgezeigt wird, Gestein mit sich, um es dann an den Uferrändern als fein gemahlenen Sand abzulagern. Besonders eindrucksvoll konnte dieses Ereignis am „Werrabogen? beobachtet werden, in dem die „Mihla? oder „Melach?, diesen Namen kann das Flüsschen also getragen haben, im Bereich der neuen Siedlung einmündete. Hier änderte sogar die große Werra ihren Lauf, weil es ihr nicht gelang, die Kalksteinbarriere des Mittelgebirgszugs Hainich zu durchbrechen.

Auf der dadurch entstehenden linksseitigen Halbinsel konzentrierten sich über die Jahrtausende erfolgten Ablagerungen gemahlenen Sandes. Noch heute trägt die Halbinsel die Bezeichnung „Auf dem Sand? und die heutige Lauter wurde in den Aufzeichnungen noch im 17. und 18. Jahrhundert als „Sandbach? bezeichnet. Daran erinnert auch noch der alte Name der „Sandmühle?, die zwischen Lauterbach und Mihla lag und von einem Oberwasser des „Sandbaches? angetrieben wurde. 

Dass ein Flüsschen wie die Mihla gleich mehrere Namen tragen konnte ist sicher nicht ungewöhnlich. Schon in der Entstehungszeit der Siedlung, die ihren Namen vom Unterlauf des Flüsschens ableitete, Melach, Mihla, nannten die Menschen am Mittellauf des Flusses diesen schon wieder ganz anders. Im Quellbereich könnte er nach den Ableitungen von Frau Lenz den Namen „Berka, Berkach? getragen haben, was letztlich zum einen auf die bergige Landschaft des Quellgebietes verweisen würde, aber auch durchaus ein Hinweis auf die Birke sein kann, also letztlich in der Bedeutung eines Gewässers, welches an den Birken entsteht und so namensgebend für die ebenfalls sehr alte Siedlung „Berka? wurde.[4] 

Im Mittellauf wurde das gleiche Gewässer schon bald „Lauterbach? genannt. Die dort wohl vor über 800 Jahren entstehende Siedlung folgte der Tradition und heißt seitdem Lauterbach. Dabei ist sehr interessant, dass die Namensgebung „Lauter? althochdeutsch auf helles und klares Wasser hindeutet, durchaus vorstellbar, da gerade im Bereich der Siedlung Lauterbach zahlreiche frische Quellen den Flusslauf bereichern. Damit wäre übrigens auch der zweiten Wortbedeutung von -mel (Indogermanisch) für „dunkel? und „schmutzig? Abrede getan, worauf im Zusammenhang mit der für Mihla namensspendeten Deutung nochmals verwiesen sei. 

Wie lange diese Namenstraditionen vorhielten machen folgende Hinweise deutlich: Die Königlich-Preußische Generalsstabskarte des Jahres 1853 weist als Name für die heutige Lauter „Sandbach? aus.[5] Luise Gerbing, eine Heimatforscherin, die sich neben Trachten vor allem auch mit allen Flurnamen beschäftigte, fand für die Lauter noch im Jahre 1910 in Lauterbach selbst den Flussnamen „Sandbach?.[6]  

Und im benachbarten Bischofroda konnte der Ortschronist Walter Böttger noch im Jahre 1912 die Bezeichnung „Im Berkschen Bach? bei den älteren Einwohnern erfragen, womit ein Abschnitt des Flusslaufes der Lauter gemeint war, der sich gleich nach Bischofroda in Richtung Quelle gabelt, wobei der eigentliche Flusslauf in der Nähe des „Silberborns“ entspringt, während der „Augraben? in Richtung Berka verläuft.[7]

   
Flurnamenkarte aus dem Buch von Luise Gerbing, 1910. Noch in Bischofroda nannten die Menschen die Lauter Sandbach?. 

Unterschiedliche Namensgebung für den gleichen Flusslauf auf einer Strecke von nur gut vier Kilometern sind auch noch heute erkennbar und machen deutlich, dass die Lauter einst in Mihla tatsächlich „Melina? (Mihla) genannt wurde, im Nachbarort als „Lauter? Träger des Ortsnamens war und in Bischofroda wieder als „Sandbach? oder Berkscher Bach auftauchte. 

Lämmerhirt, Mihla

[1] Vgl. Rosenkranz, W., Walther, H., Die Bedeutung des Ortsnamens Mihla, briefliche Mitteilung 1987 an den Mihlaer Ortschronisten Emil Felsberg, Ortsarchiv Mihla. Diese Naturbeobachtung kann heute noch recht gut empfunden werden: Die Werra konnte in ihrem Lauf das Mittelgebirge des Hainichs nicht durchbrechen, spülte aber im Verlauf der Jahrtausende immer wieder Kalkstein aus dem Höhenrücken, der dann durch die Wasserkraft zermahlen wurde und auf dem gegenüberliegenden Strömungsufer als feingemahlener Kies abgelagert wurde. So entstand das bekannte „Werraknie? und die Halbinsel „Auf dem Sand?. Der Sandbach führte durch seinen parallelen Lauf zum Hainich weiteres Mahlgut mit sich.
[2] Lex, Beate, Ortsnamen der „Thüringischen Landeschronik" (Codec Gothanus Chart. B180), Magisterarbeit am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Philosophischen Fakultät an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, August 2001, S. 21f., Kopie im Ortsarchiv Mihla.
[3] Ebenda, S. 21.
[4] Vgl. Gysseling, Maurits, Toponymisch Wordenboek van Belgie, Nederland, Luxemburg, Noord-Frankrijk en West-Duitsland (vóór 1226), Tongeren 1960.
Nach Gysseling (1960) stammt der Ortsname Berke vom germanischen Wort für Birke. Diese Herleitung vertreten auch Derks (2007) und Tiefenbach (2012). Tiefenbach geht nach Ausweis der frühen Form Berke von einem lokativischen Dativ aus, also „(Ort) bei der Birke“. Die Bezeichnung für die Birke wird germanisch als berk? bzw. berkj?(n) rekonstruiert (Kroonen 2013); aus diesen beiden Formen ergeben sich die unterschiedlichen Stammvokale in Berke und Birke. Das /e/ zeigt auch der Ortsname Berka in Thüringen, während sonst auch bei den Ortsnamen das /i/ vorherrscht, z.B. Birklar, Birkenau, Birkenholm und viele andere. Weiter: Kroonen, Gus, Etymological Dictionary of Proto-Germanic, Brill, Leiden-Boston 2013.
[5] Vgl. Königlich-Preußische Generalsstabskarte 1853, Museum Mihla.
[6] Vgl. Gerbing, Luise, Flurnamen im Herzogtum Gotha und die Forstnamen des Thüringerwaldes, Landkartenteil, Jena 1910.
[7] Vgl. Böttger, Walter, Chronik Bischofroda, Orts- Flur-und Strassennamen der Gemeinde Bischofroda, Bischofroda 2012, S. 20f.