Vor 100 Jahren-1918: 

Seit vier Jahren stand man im Krieg. Die 1914 auch in Mihla vorhandene Siegesgewissheit hatte bald, durch die ausbleibenden Siegesnachrichten und die ständigen Todesnachrichten, schweren Schaden genommen. 

Seit 1916 machte sich im Ort eine immer deutlich sichtbarere Kriegsmüdigkeit bemerkbar. Die gedrückte Stimmung der Einwohner wurde noch dadurch verstärkt, dass in jenem Jahr 1916 viele Mihlaer in den Kämpfen von Verdun fielen oder verwundet wurden. Immer häufiger konnte man in den Soldatenbriefen die Hoffnung auf einen baldigen Friedensschluss lesen. Davon war man aber noch weit entfernt. 

Unter den Bedingungen des Krieges verlief das Alltagsleben der Menschen in jenen Jahren sehr einfach und entbehrungsreich. Es gab wenig Höhepunkte, besonders ab 1916, als sich die Todesnachrichten häuften. So wurde auch das 25jährige Amtsjubiläum des Bürgermeisters Baumbach im Juni 1915 nur „im kleinen Rahmen" begangen. Durch die Einberufung von Lehrern und des Arztes 1915 verschlechterten sich die Verhältnisse weiter. Im November 1917 verkaufte Professor Binswanger das „Rote Schloss“ an den westfälischen Gutsbesitzer Ludwig Scharpenseel. Alle industriellen Einrichtungen kamen sofort in dessen Hände. Der landwirtschaftliche Betrieb sollte bis zum Kriegsende im Besitz von Reinhard Binswanger, dem Sohn des Professors, bleiben. Der Verkauf stand wohl bereits im Zusammenhang mit der Absicht Binswangers, seinen Wohnort in die Schweiz zu verlegen, wo er eine größere Privatklinik eröffnen konnte. 

Bis Ende 1918 wurden erhebliche Geldsummen dorthin überwiesen. Für Mihla bedeutete das Ende der „Binswangerschen Ära" gerade in der schweren Zeit der letzten Kriegsmonate eine zusätzliche Belastung sowie Ungewissheit in vielen wirtschaftlichen Fragen, eile dem neuen Besitzer Scharpenseel doch der Ruf voraus, sich an seinen neuen Mihlaer Besitzungen ohne Rücksicht auf die Gemeinde gesundstoßen zu wollen. So gestalteten sich die Bedingungen im Ort immer komplizierter. Nach jahrelanger selbstaufgezwungener politischer Ruhe gab es aus den Reihen der SPD 1918 erstmals gezielte Forderungen, Schluss mit dem Kriege zu machen und dabei notfalls auch keine Rücksicht auf die Regierung zu nehmen. 

Dabei erfuhr der normale Bürger kaum etwas vom tatsächlichen Kriegsverlauf. Im Juli 1918 war die letzte deutsche Großoffensive bei Reims gescheitert und am 8. August. also beinahe genau vor 100 Jahren, drängten britische und US-Streitkräfte mit vielen "Tanks", den Vorläufern der modernen Panzer, die ausgebluteten deutschen Truppen auf die "Hindenburglinie" zurück. Das war der "Schwarze Tag des deutschen Heeres". Damit war der Krieg im Westen entschieden. Aber offiziell stand man ja noch tief in Frankreich... 


Der Kaiser trauert um die Gefallenen, Postkarte, Museum Mihla. Mit solchen verlogenen Propagandabildern suchte man die Kampfbereitschaft aufrecht zu halten. 


Diese Wirklichkeit, ein Schlachtfeld 1917 in Flandern, bekam man zu Hause gar nicht mit. Man stand ja im "Feindesland" und sicher würde der Sieg noch erreicht werden, Foto Museum Mihla. 

Erst allmählich sickerten, vor allem durch Soldatenbriefe, Nachrichten durch. Nur langsam kam es zu einem Meinungsumschwung. 

Unter diesen Voraussetzungen trafen Anfang November 1918 die Nachrichten vom Aufstand der Kieler Matrosen und den Ereignissen in den Residenzstädten sowie vom Sturz des Kaisers am 9.11. ein. Noch in den letzten Kriegswochen hatten Mihlaer den Tod gefunden. Am 25.10.1918 war Wilhelm Daut in Frankreich gefallen. Er war einer der letzten Mihlaer, die auf dem Schlachtfeld starben. 

Am 11.11.1918 wurde der Vorfriede, die bedingungslose Kapitulation, unterzeichnet. Der Krieg war verloren, aber die Einsicht in diese Niederlage fand zunächst durch die sich überstürzenden Ereignisse im Zusammenhang mit der Revolution wenig Beachtung. 

Etwa 70 Mihlaer hatten in einem verbrecherischen Krieg, der eben gar nicht für „Kaiser, Gott und Vaterland" geführt wurde, ihren Tod gefunden. Das 1922 eingeweihte Kriegerdenkmal trägt 71 Namen, wobei auch die noch nach Kriegsende gestorbenen Verwundeten hinzukamen. Der Krieg brachte viel Not und Elend über unseren Ort. Einige durchaus erfolgversprechende Entwicklungen wurden dadurch abgebrochen. Die nun zugespitzten sozialen Probleme kamen in der Entwicklung des Jahres 1919 voll zum Tragen. 

- Ortschronist -