Vor 100 Jahren 1917/18

Vor 100 Jahren, 1917, war als drittes Kriegsjahr zu Ende gegangen. Über die Gedanken und Hoffnungen unserer Vorfahren in dieser schwierigen Zeit berichtet der damalige Pfarrer Kötschau in einem Bericht der kirchlichen Zeitschrift, den “Heimatglocken”. Zum Neujahr 1918 schreibt er: 

“Der Beginn des neuen Jahres wurde bei uns in der üblichen Weise feierlich mit Glockengeläut und den Weisen alter Choräle vom Turm her aus dem Munde unserer erwachsenen Choradjuvanten begrüßt. Beweglich war es für viele Herzen, dass man nur die eine Glocke noch hören konnte, die seit 400 Jahren ihre Stimme hat hier erschallen lassen (die beiden anderen von dem bekannten Glockengießer Kutschbach im 18. Jahrhundert gegossenen Glocken waren bei Beginn des Krieges zum Einschmelzen für die Rüstungsindustrie abgegeben worden; nur die 1516 gegossene Glocke konnte als “kunsthistorisch wertvoll” gerettet werden. Zwei neue Glocken wurden durch die Gemeinde erst 1933 beschafft/Lä). 

Möge das Jahr 1918 auch für unser Heimatdorf günstiger gestalten, als das vorjährige. Das wird lange in Erinnerung bleiben als das Typhusjahr, wodurch sich die Not der an sich schon schweren Kriegszeit bei uns noch steigerte. Es waren 10 Todesfälle zu beklagen und für eben so viele Gefallene wurden Trauergottesdienste gehalten. 

Unter den an Typhus verstorbenen befanden sich 3 Hausfrauen und Mütter, deren Männer das Ehrenkleid des Kriegers tragen. Welch schwere Heimsuchung der Familien! 

Im neuen Jahr steht nun unserem Orte eine große Veränderung bevor durch den Übergang des Roten Schlosses in die Hand des neuen Besitzers Scharpenseel. Wie wir hören ist die Familie katholisch. Welchen Einfluss das auf die örtlichen Verhältnisse hat, bleibt abzuwarten.” 

Zumindest in der letzten Aussage kann eine Antwort gegeben werden. Der neue Besitzer des „Roten Schlosses“, Herr Scharpenseel, blieb nicht lange in Mihla. Er hatte nur vor, möglichst viel Geld aus dem erworbenen Gut zu schlagen und nach einigen Verkäufen von Land und Wald zog er sich ein Jahr später wieder zurück. Das Gut kam nun in die Hände des Herrn Lichtenberg. Die unendliche Geschichte um das „Rote Schloss“ begann... 

Hierzu schrieb Pfarrer Kötschau, ebenfalls in den “Heimatglocken”, im Oktober 1918: 

“Der neue Besitzer des Roten Schlosses, Herr Scharpenseel, hat an seiner Erwerbung keine rechte Freude gefunden. Kaum hatte er vom Rittergut Besitz ergriffen, so hat er es in der Zeitung zum Kauf angeboten und mit äußerster Beschleunigung wiederverkauft. Die früher erhobene Frage, wie sich das Verhältnis der katholischen Gutsherrschaft zu der evangelischen Gemeinde gestalten werde, ist somit in unerwarteter Weise gelöst. Als Name des nunmehrigen Besitzers wird Herr Lichtenberg genannt. Ansonsten weiß man von ihm nichts Näheres...” 

Der zweite Wunsch des Pfarrers zum Neujahr 1918, das Ende des Krieges betreffend, erfüllte sich auch im Jahre 1918, allerdings mit der Niederlage Deutschlands und mit dem Sturz des Kaisers und der regierenden Fürsten. Bis dahin mussten noch viele Trauergottesdienste für Gefallene aus Mihla abgehalten werden, 71 waren es bei Jahresende insgesamt, die seit 1914 gefallen waren. 


Diese Fotografie entstand anlässlich der Silbernen Hochzeit der Pfarrersfamilie Kötschau vor der Mihlaer Kirche. Rechts in Uniform der mit der Familie befreundete Lehrer Hartung, der 1917 im Weltkrieg den Tod fand.  

- Ortschronist -