Spuk und Waldgeister zur Weihnachtszeit 

Die Nächte sind sehr lang und kalt. Schon früh wird es dunkel. Wir modernen Menschen sehnen uns nach Licht und Wärme. Wie muss es da unseren Vorvätern in diesen Jahreszeiten ergangen sein? 

Die Arbeit auf den Feldern war gemacht, alles kam langsam zur Ruhe. Klar, die Tiere im Stall mussten gefüttert werden, aber die meiste Arbeit im Jahreslauf war geschafft. Nun kamen auch Stunden der Geselligkeit, der Gemeinsamkeit am Herdfeuer und bei Kerzenlicht. 

Ohne Fernsehgerät, ohne Computer und Handy und den Bequemlichkeiten des elektrischen Stroms blieben neben den Gesellschafts- und Kartenspielen meist nur die Erzählungen, bei denen die Älteren gern über ihre Erlebnisse aus längst vergangenen Zeiten berichteten. Erzählungen und Sagen, sie haben vor allem die Heranwachsenden immer wieder fasziniert und in den Bann gezogen. 

Besonders beliebt waren Geschichten aus der näheren Umgebung. In unserer Region spielte da der Hainich mit seinen dichten Buchenwälden eine wichtige Rolle. 

So blieb es nicht aus, dass auch völlig spukhafte Geschichten vorgebracht wurden. Der Aberglaube und das angebliche Wissen über Geister, Hexen und Feen war allgegenwärtig. Die harte tägliche Wirklichkeit und sicher auch die schwere körperliche Arbeit der Holzfäller, Waldarbeiter und der Bauern, die ihre kleinen Felder am Randes des Hainichs bewirtschafteten, ließen oft keine andere Möglichkeit, als an das Wirken von bösen und guten Geistern zu glauben und auf deren Einfluss auf das eigene Leben zu hoffen. 

Besonders in den Tagen nach Weihnachten, in den „Rauhnächten“, den zwölf Nächten um den Jahreswechsel, war es nicht geheuer. In diesen Nächten, in denen das allgemeine Leben und die Arbeit ruhten, den Nächten vom Weihnachtstag bis zum 6. Januar, zogen sich die stürmischen Mächte der Mittwinterzeit in der Nacht auf den 6. Januar zurück, „die Wilde Jagd“ begab sich am Ende der Rauhnächte ebenfalls zur Ruhe. Bis dahin aber heulte die Wilde Jagd durch die Wälder, verzauberte die Menschen, die es wagten, trotzdem unterwegs zu sein und trieb allerlei Schabernack. Die zwölf Rauhnächte waren zudem als Bauernregel bestimmend für das Wetter der zwölf Monate des neuen Jahres. 

Diese Vorstellungen an den dunklen Abenden von den alten Leuten vorgetragen, bestimmte das Leben der Heranwachsenden über viele Generationen. Kein Wunder, daran glaubte man, denn wie oft heulte der Sturm in diesen Tagen durch die Nacht, waren die wilden Jäger unterwegs.

In Mihla glaubte man an den Waldgeist Elbel. Unter ihm stellte man sich den Chef der Wilden Jagd vor. Mit seinem Gefolge war er unterwegs. In den Felsklüften über Wernershausen hatte der Elbel seine Wohnung. Von der „Elbelskanzel" am „Elbelstein" herunter rief er seine Kumpane zusammen, und dann ging es auf zur „Wilden Jagd" durch den weiten Hainichwald. So erzählten es die Alten den Jungen, so hat es mir auch noch mein Vater erzählt. Wobei dieses Wissen schon aus dem Sagenbuch von Bechstein gestammt haben kann, der im 19. Jahrhundert unsere Orte bereiste und bis dahin mündlich überlieferte Sagen und Märchen schriftlich verfasste. 


Der Wilde Jäger Elbel blickt von seiner Kanzel und sucht neue Opfer, Rekonstruktionsversuch, Mihlaer Ortsarchiv.

Wo liegt nun die „Elbelkanzel“? Geht man vom Mihlaer Tal durch das Hühnerloch im Richtung Kammerforst wird dieser Talweg zunehmend steiler. Linker Hand, nach gut 1000 Metern, erkennt man in der blätterlosen Jahreszeit tatsächlich am oberen Schluchtrand steinerne Felsen.

Ein schmaler Weg windet sich empor, leichter ist die dortige Elbelkanzel wohl von Wernershausen her zu erreichen. Auch Andeutungen einer einstigen Höhe lassen sich erkennen. Hier soll er also gehaust haben, der Waldgeist Elbel. Von der Klippe spähte er ins Land, um sich neue Opfer zu suchen. Die Mystik des Platzes überfällt einen, wenn man sich mit der Vergangenheit auskennt. So muss es auch unseren Vorvätern ergangen sein, wenn sie diese Stätte aufsuchten… 

Schauen wir uns eine der bekanntesten Sagen an, die sich mit dem Elbel und dem Mihlaer Original, dem Jäger Hölzerkopf, verbinden: 

Hölzerkopf, der Leibjäger des Herrn von Harstall in Mihla, befand sich gerade auf einem Kontrollgang durch den herrschaftlichen Wald, als er plötzlich von lautem Hundegebell überrascht wurde. Schnell versteckte er sich, denn er wollte sehen, wer da unerlaubt jagte. 

Das Bellen kam näher und näher, dazwischen hörte er viele seltsame Geräusche, die zusammen zu einem Höllenlärm wurden. Da sah er hinter einer großen Hundemeute den Wilden Jäger - den Elbel, wie man ihn in Mihla nannte - und sein grauenerregendes Gefolge in Windeseile daher reiten. Sie trieben aber kein Tier vor sich her, sondern eine schöne Jungfrau. Diese rannte davon und hatte Mühe, den teuflischen Häschern zu entkommen. Gern wäre Hölzerkopf jetzt der Elbel gewesen! Ärgerlich, dass er nicht eine solche Beute erjagen konnte, schoss er ins Dickicht hinein. Und dieser Schuss, der doch ins Leere gehen sollte, traf ein Reh. Es brach vor dem Jäger zusammen, ein gezielter Schuss hätte nicht besser sitzen können. Seitdem traf Hölzerkopf jedes Ziel, denn der Wilde Jäger hatte ihn zum Verbündeten gemacht. 

Als nun einmal Hölzerkopf den Herrn von Harstall bei der Jagd begleitete, hielten sie an und setzten sich nieder, um zu frühstücken. Der Jäger nahm sich Zeit, und als sein Herr ungeduldig mahnte, er solle sich beim Essen beeilen, winkte er ab: „Was soll die Eile, gnädiger Herr, die haben wir gar nicht nötig!" Und er nahm das Gewehr, hielt es irgendwohin und drückte ab. Da lag ein Hirsch mit prächtigem Geweih tödlich getroffen vor ihnen. „Du bist ein Freischütz, bist mit dem Elbel im Bunde. Mit deinesgleichen will ich nichts zu schaffen haben", so sprach darauf der Herr von Harstall, und Hölzerkopf ging und verschwand im Wald. Nachher hat man ihn nur noch im Gefolge des Wilden Jägers gesehen. 

In den Felsklüften über Wernershausen hatte der Elbel seine Wohnung. Von der „Elbelskanzel" am „Elbelstein" herunter rief er seine Kumpane zusammen, und dann ging es auf zur „Wilden Jagd" durch den weiten Hainichwald. 

Erzählt von Ludwig Bechstein 

Also aufgepasst, wenn Sie in den 12 Nächten nach Weihnachten laute Geräusche in der Nacht hören und der Sturm am Fenster rüttelt, es muss nicht der Nachbar sein, der Lärm macht, es könnte die Wilde Jagd um den Waldgeist Elbel sein und dann sollte man besser die Decke über die Ohren ziehen! 

(Zweite Abbildung: Die "Wilde Jagd" bricht auf. Von Johann Heinrich Ramberg - Der Freischütz. Friedrich Kinds Operndichtung und ihre Quellen. Hrsg. von Felix Hasselberg. Berlin: Dom-Verlag 1921 (Der Domschatz; 2)., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11167933 >>> Tafel in der Mihlaer Wolfsschlucht. 

Rainer Lämmerhirt