Kurs 260° Von Eberhard Hälbig, Eisenach 

Luftkriegsforscher Eberhard Hälbig aus Eisenach hat eine Geschiche rekonstruiert, die heute schon beinahe in unseren Dörfern in Vergessenheit geraten ist. 

Am 11. September 1944, vor 73 Jahren, gerieten die Dörfer Hallungen und Nazza in den Angriff eines amerikanischen Bombers. 

Lesen wir, was damals geschah: 

Es ist der 11.09.1944. Zwei Frauen, Mutter und Tochter, sind mit der Rübenernte auf dem Dudelberg bei Nazza beschäftigt. 


Der Dudelberg bei Nazza, der Ort des Geschehens. 

Frieda Heilwagen und Hildegard Heilwagen, heute Hildegard Klinkhardt, hören das dumpfe Donnern aus Richtung Hallungen (zwei oder drei Mal). Ob sie wussten, was die Ursache dafür war, bleibt offen – sie sollten es aber bald am eigenen Leibe erfahren. Minuten später befanden sich die beiden Frauen nämlich in der Hauptabwurflinie einer amerikanischen B-17 „Flying Fortress“, eines der größten Bombenflugzeuge des Zweiten Weltkrieges. 

Vermutlich werden sie zuerst das Pfeifen des kleinen Propellers gehört haben, der an der Spitze der Bombe durch den freien Fall und die Luftströmung in eine Drehbewegung versetzt wird und dadurch einen Mechanismus in Gang setzte, der die Bombe erst scharf machte. Vielleicht haben sie aber auch das Pfeifen nicht gehört oder erinnerten sich später nicht mehr daran. Denn zwischen dem Pfeifton und dem einsetzenden Schockzustand, ausgelöst durch die Explosion der Bombe vergehen nur Momente. 

Nun waren sie eingehüllt in ohrenbetäubenden Lärm, umherfliegende Steine, Erde und die tödlichen Stahlsplitter der zerplatzenden Bombenkörper. Die beiden Frauen hatten Glück im Unglück. Sie waren genau in der Mitte zwischen zwei Einschlägen und erlitten „nur“ Prellungen und blaue Flecken. 

Die Amerikaner setzten während des Zweiten Weltkrieges im Wesentlichen drei verschiedene Bomben Typen ein. 


Die von den US- Luftstreitkräften eingesetzten drei Bombentypen. 

Erstens die 250 kg (oder 500 lb) General Purpose AN-M64, zweitens die 500 kg (1000 lb) Demolition oder General Purpose AN-M44 und drittens die 500 kg (1000 lb ) General Purpose AN-M65. Die Bezeichnungen M44, M64 und so weiter weisen auf verschiedene Zünder und Sprengstofffüllungen hin. Die amerikanischen Bomben bestanden aus einem relativ dünnen Stahlgehäuse und enthielten einen Sprengstoffanteil von etwa 60 %. Sie waren für den Einsatz auf Gebäude aus Stahl und Beton ausgelegt und laut Einsatzberichten wurde die 250 kg Bombe als die effektivste der drei verschiedenen Typen angesehen. Laut Mission Report der Amerikaner waren auch die bei Nazza abgeworfenen Bomben am 11.09.1944 250 kg GP AN-M64. Den beiden Frauen auf dem Feld war an diesem Tag der Tod näher, als sie ahnten. Nicht nur wegen der Bombensplitter, die Menschen noch in etwa 1000 Meter Abstand vom Aufschlagpunkt töten können. 


Bombensplitter, die meist tödlich waren. 

Bei der Explosion der Bomben kommt es zu einer sofortigen Erhöhung des Luftdrucks, der sowohl einen Sog als auch eine Druckwirkung entfaltet. Diese führen beim Menschen in allen mit Luft gefüllten Organen, also besonders der Lunge und des Verdauungstraktes zu schweren Verletzungen in Form von Rissen und Quetschungen mit tödlichen Folgen – bis in eine Entfernung von 100 Meter vom Aufschlagpunkt. Aber auch das überlebten die beiden Frauen auf dem Feld. Ihr Schutzengel wird wohl an diesem Tag auf dem Dudelberg der Dritte im Bunde gewesen sein. 

Fortsetzung folgt